Steuern senken will auch SPÖ-Staatssekretär Christoph Matznetter, aber nicht für die Spitzenverdiener.

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Finanzminister Wilhelm Molterer (ÖVP) lässt sich davon aber nicht abbringen. Ein Jahr haben die beiden Zeit, sich zusammenzuraufen.

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SPÖ und ÖVP beginnen mit den Vorbereitungen für die geplante Steuerreform – doch einig ist sich die Koalition nur über das Volumen von drei Milliarden Euro. Die Sozialdemokraten bezichtigen den Koalitionspartner, Geschenke an die Besserverdiener verteilen zu wollen.

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Wien – Christoph Matznetter will das Geld nicht. Auch wenn es ihm die ÖVP förmlich aufdrängt. 5750 Euro im Jahre würde er, der gut verdienende Regierungspolitiker, sich ersparen, wenn der Spitzensteuersatz von 50 auf 45 Prozent falle, gar 9200 Euro bei einer Senkung auf 42 Prozent. Von den anderen schwarzen Entlastungsideen ganz zu schweigen. "Die Pläne der ÖVP brächten mir in Summe einen Mittelklassewagen ein", sagt Matznetter: "Würde ich nur meine Brieftasche wählen lassen, müsste ich ÖVP wählen."

Tut er aber nicht. Stattdessen wird Matznetter als Finanzstaatssekretär auf Seiten der SPÖ die für 2010 geplante Steuerreform vorbereiten. Einig sind sich die Koalitionsparteien, dass sie drei Milliarden Euro an "Mittelstand" und "Leistungsträger" verteilen wollen. Nicht aber darüber, wer denn genau in diese Zielgruppen fallen soll.

  • Streitfrage Spitzensteuersatz: "Die höchste Stufe nicht ausnehmen" will Wilhelm Molterer. Der Vizekanzler und Finanzminister von der ÖVP fordert deshalb, den Spitzensteuersatz (siehe Wissen) zu senken – und handelt sich heftigen Protest vom Koalitionspartner ein. "Für Spiele der Art 'Wie kann ich die Breiftasche von mir und meinen Freunden entlasten' ist kein Spielraum da", meint Matznetter und rechnet vor, dass sich Molterer bei einem Spitzensteuersatz von 42 Prozent 13.600 Euro ersparen würde.

    Die Sozialdemokraten wollen Einkommen bis 4000 Euro brutto im Monat entlasten, wovon über 90 Prozent der unselbständig Beschäftigten profitieren würden (siehe Grafik). Konkret fordert Matznetter eine Senkung der Steuersätze, denn das derzeitige System sei "leistungsfeindlich". Von der Lohnerhöhung 2008 würden etwa dem Filialleiter eines Supermarktes mit einem Monatseinkommen von 2800 Euro brutto wegen der hohen Steuerlast nur 46 Prozent, also 40 statt 87 Euro bleiben.

  • Streitfrage Einkommensgrenze: Gutverdiener entlasten möchte Molterer auch, indem er die Einkommensgrenze, ab welcher der Spitzensteuersatz greift, nach oben verschieben will. Hintergrund: Wegen der "kalten Progression" hat sich die Zahl jener, die den Spitzensteuersatz zahlen, seit 1989 von 50.000 auf 250.000 (2006) verfünffacht. Um der ÖVP "entgegenzukommen" (Matznetter) hat die SPÖ Kompromissbereitschaft signalisiert – wovon dann doch wieder Einkommen über 4000 Euro brutto profitieren würden. Denn derzeit liegt die Schwelle bei etwa 60.000 Euro brutto im Jahr, also knapp 4300 Euro im Monat.

  • Streitfrage Gegenfinanzierung: Im rot-schwarzen Koalitionspakt ist davon keine Rede – worauf sich die ÖVP regelmäßig beruft: Bei der angepeilten Reform solle es nur Steuersenkungen geben, Erhöhungen seien ausgeschlossen. Teile der SPÖ wollen sich mit diesem Dogma aber nicht anfreunden. Matznetter schwebt zum Beispiel eine Steuer auf Kapitalzuwächse vor, um zusätzliches Geld verteilen zu können. Sozialversicherungsbeiträge will der Staatssekretär künftig nicht nur an Löhne koppeln, sondern auch an andere Werte. Letzterem Vorschlag zeigt sich die ÖVP nicht ganz abgeneigt: Molterer selbst erwog Beiträge auf Mieten und Pachten, was für die SPÖ aber nur eine Minimalvariante wäre.

  • Streitfrage Familiensplitting: Von einer "Revolution in der Familienbesteuerung" (Perspektiven-Minister Josef Pröll) träumt die ÖVP. Durchsetzen will sie diese, wie eben wieder bekräftigt, mit dem Familiensplitting: Das Familieneinkommen wird dabei fiktiv auf jeden Kopf verteilt, womit die Steuerzahler in niedrigere Tarifklassen rutschen. Für Matznetter und die SPÖ eine "Heim an den Herd-Prämie", weil es sich für Frauen, die schlechter als ihre Gatten verdienen, dann nicht mehr auszahlen würde, arbeiten zu gehen.

  • Streitfrage Reformkommission: Weil die ÖVP in den Koalitionsverhandlungen Nein gesagt habe, hat die SPÖ diese Idee eigentlich schon ad acta gelegt. Nun schlug aber Karl Aiginger, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts, vor, möglichst bald eine Expertenkommission einzusetzen, die alle Ziele der Regierung in ein Konzept gießen soll. Zumindest kein eindeutiges "Nein" für alle Zeiten kommt dazu aus dem Büro des Finanzministers. Knapper Kommentar: "Erst muss das Geld für die Steuerreform erwirtschaftet werden." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.01.2008)