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Inneminister Günther Platter sorgt für "chaotische Zustände"

REUTERS/Herbert Neubauer
Alles anders als problemlos gestalten sich die ersten Wochen nach dem Inkrafttreten des neuen Sicherheitspolizeigesetzes. Nicht nur, dass sich der Widerstand gegen die nun ohne richterliche Anordnung mögliche IP-Adressenausforschung und die Handyortung zunehmend formiert, äußern auch die diversen Mobilfunkbetreiber und Internet-Provider recht unverblümt ihre Verärgerung.

Chaos

So spricht etwa die Unternehmenssprecherin der Mobilkom Austria, Elisabeth Mattes, gegenüber dem WebStandard von "chaotischen Zuständen". Die zur Abfrage derzeit eingesetzten Formblätter, die vor wenigen Tagen von der Anti-Überwachungsplattform platterwatch öffentlich gemacht wurden, seien nicht nur unübersichtlich, offenbar würden auch regional unterschiedliche Varianten eingesetzt.

Unklar

Ein zusätzliches Problem sieht Mattes darin, dass das Gesetz alles andere als klar definiert sei. So heißt es etwa recht allgemein, dass die Provider dazu verpflichtet seien, die "Internet-Protokoll-Adresse (IP-­Adresse) zu einer bestimmten Nachricht und den Zeitpunkt ihrer Übermittlung" bekannt zu geben.

Offene Fragen

Wie das in der Praxis ablaufen soll, bleibe hingegen vollkommen unklar, immerhin sei dies gerade bei dynamischer IP-Adressenvergabe nicht immer so ohne weiteres durchführbar. "Hier muss beim Gesetz eindeutig nachgebessert werden", fordert Mattes Konsequenzen aus der aktuellen Verwirrung. Die Mobilkom-Sprecherin schließt dabei auch eigene rechtliche Schritte nicht aus, schließlich verlange die Verfassung eindeutige Gesetzesformulierungen, etwas das hier definitiv nicht gegeben sei.

Verfassung

Eine Kritik, der Klaus Steinmaurer, Chef der Rechtsabteilung von T-Mobile, nicht nur vollkommen zustimmen kann, sondern selbst noch ein Schäufelchen nachlegt: Die entsprechende Formulierung sei nicht nur "schwammig" sondern auch in sich selbst schon ein klarer Verfassungsbruch. Denn um sie umsetzen zu können, müssten die Provider Verbindungsdaten speichern, etwas das das Telekommunikationsgesetz (TKG) ausdrücklich untersage.

Ablehnung

Entsprechend werde man solchen Anfragen auch nicht nachkommen. Wenn die Polizei entsprechende Informationen abfragen sollte, werde man wahrheitsgemäß antworten, "dass wir sie nicht haben, weil wir sie nicht haben dürfen", so Steinmaurer zum WebStandard. Immerhin stehe das TKG im Verfassungsrang und damit klar über dem SPG.

Vorratsdaten

Eigentlich könnte eine solche Abfrage erst dann legal durchgeführt werden, wenn auch die Vorratsdatenspeicherung in Kraft getreten ist - eine Kombination, die für Steinmaurer aber eher an ein demokratiepolitisches Horror-Szenario erinnert. Denn wenn die Daten einmal mitgespeichert würden, könnten sie dann auch "dank" eben jenes §53 Abs. 3a SPG "von jedem Landgendarmen" abgefragt werden - ganz ohne richterliche Kontrolle. Die eigentlich bei der Vorratsdatenspeicherung vorgesehene Begrenzung der Datenherausgabe auf schwere Straftaten und eine verpflichtende richterliche Anordnung würde so bereits im vorhinein vollkommen ausgehebelt.

Information

Bei der Mobilkom zeigt man sich zusätzlich darüber verärgert, dass man im Vorfeld in keinster Weise über die Änderungen informiert worden sei. Eine Kritik, die man auch beim Mobilfunkanbieter One teilt. Derzeit bedeute die Änderung vor allem mal mehr Arbeit für die Anbieter, weil man dazu übergangen ist, jede Anfrage noch stärker als bisher zu prüfen, so Unternehmenssprecherin Petra Jakob.

Abwarten

Einig sind sich beide dabei, dass es derzeit noch zu früh sei, um wirklich seriöse Schlüsse darüber zu ziehen, ob die Zahl der Anfragen gestiegen ist. Bisher sieht man bei One zwar einen Anstieg von Polizeiabfragen betreffs Handyortung, dafür aber im Ausgleich auch weniger vom Gericht beantragte Ausforschungen.

Unterschiede

Etwas differenzierter das Bild bei der Mobilkom: Während die Anfragen in Bezug auf die Handyortung relativ gleich geblieben ist, sei ein Anstieg bei der IP-Adressenausforschung bemerkbar. Jakob geht allerdings davon aus, dass hier noch ein deutlicher Zuwachs folgen wird. Dass dem bisher noch nicht so ist, führt sie vor allem darauf zurück, dass wohl auch den Behörden die Benutzung des entsprechenden Formulars noch nicht so ganz klar sei.

Zuwachs

Bei T-Mobile hat man hingegen bislang sehr wohl einen deutlichen Zuwachs an Abfragen festgestellt: "Wenn ich an einem normalen Wochenende zwischen 15 und 25 Anfragen wegen Suizidgefährdeten oder abgängigen Personen bekomme und es nun plötzlich 40 sind, dann ist das schon auffällig", streicht Steinmauer heraus. Allerdings schränkt er auch ein, dass es zum jetzigen Zeitpunkt einfach noch nicht genügend Erfahrungswerte gebe, um eine langfristige Prognose abzugeben.

Abwarten

Ähnlich die Stellungnahme von UPC/chello: Die Zahl der IP-Adressen-Ausforschungen habe seit Anfang des Jahres zwar spürbar zugenommen, wie sich dies weiter entwickle, müsse aber noch abgewartet werden. Unter Umständen könnte es sich dabei auch nur um "angestaute Altlasten" von Ende Dezember handeln. Firmensprecher Gustav Soucek betont, dass derzeit noch vieles im Unklaren sei, die kurzfristige Beschließung hab allen Providern keine Zeit zu einer vernünftigen Vorbereitung gelassen.

Feiertage

Auch beim Wiener Internet-Provider Silverserver will man derzeit noch kein Fazit ziehen, gerade nach den Feiertagen sei dies schwierig. Rechtlich nicht gedeckte Abfragen werde man aber auf jeden Fall "zurückwerfen" - so wie man es bisher schon gehandhabt habe.

Schadensbegrenzung

Unterdessen übt man sich im Innenministerium offenbar in Schadensbegrenzung, in einer Arbeitsgruppe mit den Anbietern soll nun doch noch eine klarere Regelung gefunden wird, die den Anbietern die nötige Rechtssicherheit biete. Auch das umstrittene Abfrage-Formular soll recht bald durch ein neues Dokument ersetzt werden. (Andreas Proschofsky)