Reise zu den Wurzeln in Wajdi Mouawads "Verbrennungen", auf einer Bühne von Stefan Brandtmayr.

Foto: Marion Bührle

Im Testament der Exil-Libanesin Nawal stehen sehr genaue Anweisungen, die auf ihre Zwillingskinder aber verstörend wirken. Nicht nur, dass die Mutter wünscht, im offenen Grab mit Eimern kalten Wassers übergossen zu werden, die Mutter trägt ihnen auch die möglichst gemeinsame Reise zu ihren Wurzeln, von Montreal in den Libanon auf. Im Handgepäck gibt sie ihnen dazu zwei Briefe mit: einen an den im Libanon gebliebenen Vater, den sie nie gekannt haben, den zweiten für ihren Bruder, dessen Existenz den zuallererst noch trotzenden, fast erwachsenen Zwillingen verschwiegen wurde.

Schritt für Schritt begeben sie sich in eine Vergangenheit, in der sich ihnen ein grausames Ödipus-Szenario aufdeckt. Der Bruder Nihad hat als Heckenschütze die Widerstandskämpferin Nawal unwissentlich vergewaltigt, seine eigene Mutter, und sich damit zum Vater der Zwillinge gemacht - Brandmale eines Lands im Ausnahmezustand.

Bei der deutschsprachigen Uraufführung von Verbrennungen (im Wiener Akademietheater derzeit in Regie Stefan Bachmanns zu sehen) erntete Regisseur Georg Schmiedleitner im Oktober 2006 Lobeshymnen für die kraftvolle Stringenz, mit der er Wajdi Mouawads ausschweifende Vorlage bändigt. Mit ebendieser Inszenierung gastiert das Staatstheater Nürnberg einmalig am Donnerstag im Linzer Posthof. (wos / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17.1.2008)