Wien – Der Wiener Zeitgeschichte-Professor Gerhard Botz hält es für „das Naheliegendste“, dass das in der Tageszeitung Österreich erschienene Foto Heinz-Christian Strache bei der Abwandlung eines Hitler-Grußes und nicht beim Bestellen von drei Bier zeigt. Das gab der als sachverständige Zeuge geladene Geschichtswissenschafter am Donnerstag im Wiener Straflandesgericht zu Protokoll. Es sei „nicht auszuschließen, dass es eine alltägliche, verlockerte Ausübung des Kühnen-Grußes ist“.

FPÖ-Chef Strache hatte Österreich geklagt, weil er bestreitet, dass das Bild, auf dem er mit drei abgespreizten Fingern der rechten Hand zu sehen ist, eine verpönte Grußform dokumentiert. Strache will mit dieser Geste nur drei Bier geordert haben.

Jugendfotos

Das medienrechtliche Verfahren umfasst darüber hinaus eine weitere Klage rund um Jugendfotos von Strache, die ihn bei Wehrsportübungen am Fuß des Kärntner Ulrichsbergs zeigen sollen.

Dem ehemaligen freiheitlichen Klubobmann Ewald Stadler war am Donnerstag im Landesgericht als Zeuge noch etwas anderes aufgefallen: Auf jenem Gruß- oder Bestell-Foto von Strache trage dieser eine auffällige Krawatte. Auf dieser sei nämlich die Reichskriegsflagge aus dem ersten Weltkrieg zu sehen. Dieses Emblem sei „ideologisch konnotiert“, betonte Stadler.

Kriegsflagge

Die Reichskriegsfahne existiert seit 1867 in verschiedenen Darstellungsformen. Sie war die offizielle Kriegsflagge der Streitkräfte des Deutschen Reichs und später der Wehrmacht. In Deutschland ist die Darstellung und Verbreitung der Version mit dem Hakenkreuz strafbar: Die Reichskriegsflagge gilt als beliebtes Symbol in der Neonazi-Szene und soll vor allem als Aufnäher oder T-Shirt-Motiv Verwendung finden.

Richterin Alexandra Mathes befragte am Donnerstag auch Gottfried Küssel, den Gründer der Volkstreuen Außerparlamentarischen Opposition (VAPO), sowie Franz Radl. Beide standen in den 90er-Jahren wegen Wiederbetätigung vor Gericht.

Küssel betonte, Strache habe seines Wissens nach nicht an von ihm veranstalteten Wehrsportübungen teilgenommen. Er kenne den FPÖ-Chef auch nicht persönlich. Auf die Frage, ob sich Strache an Veranstaltungen der neonazistischen, 1994 in Deutschland verbotenen Wiking-Jugend beteiligt habe, meinte Küssel: „Er soll bei irgendwelchen Wiking-Übungen dabei gewesen sein, habe ich den Medien entnommen. Aber das weiß ich nicht.“

Sowohl Küssel als auch Radl identifizierten Strache auf einigen der von Österreich publizierten Fotos, die diesen in den 80er-Jahren in uniformartiger Aufmachung im Kreis von Männern zeigen dürften, die später wegen rechtsextremer Umtriebe von der Staatspolizei und den Gerichten belangt wurden. Strache bestreitet entschieden, je bei Wehrsportübungen mitgemacht zu haben.

Radl gab an, Strache „im korporierten Milieu“ kennengelernt und mehrmals im Jahr getroffen zu haben. Auf die Frage, wie man einander bei Burschenschaftsveranstaltungen gegrüßt habe, erwiderte Radl: „Mit ,Heil dir!‘, wenn man per du war. Sonst mit ,Guten Tag!‘“

Im Hinblick auf das Foto mit dem angeblichen Widerstands- bzw. Kühnen-Gruß stellte Radl fest: „Ich kann dezidiert ausschließen, dass Strache da mich grüßt oder einen Gruß zurückgibt. Ich kann mich an keine einzige Burschenschaftsfeier erinnern, wo so gegrüßt worden wäre.“ Radl räumte ein, dass drei grußartig abgespreizte Finger der rechten Hand „auch in nationalistischen Kreisen zu Hause sind. In dem, was in der Öffentlichkeit gemeinhin als rechtsextrem bezeichnet wird.“ Küssel und seine Gesinnungsgenossen hätten diesen Gruß verwendet. Strache sei auf dem inkriminierten Foto aber nicht beim Kühnen-Gruß zu sehen, „weil der Arm nicht gestreckt ist“. Das Verfahren wurde auf den 1. April vertagt. (APA, red/DER STANDARD, Printausgabe, 25.1.2008)