Grafik: STANDARD
Wien - Sichtbar sind sie ja schon seit einiger Zeit. Ob sie für die ÖH-Wahl kandidieren wie Fanny Rasul (Gras) oder Samir Al-Mobayyed (AG), die eine als Kurdin im Nordirak geboren, der andere mit Eltern aus Syrien, oder ob sie das besonders "sichtbar machende" Kopftuch tragen - Studierende mit Migrationshintergrund gehören zum Alltag in Österreich.

Aber empirische Fakten gab es dazu bis jetzt fast keine - diese Daten wurden schlicht noch nie erhoben. Nun gibt es erstmals Daten über "Ausländische Studierende in Österreich". Die Autoren der Studierenden-Sozialerhebung 2006, Martin Unger und Angela Wroblewski vom Institut für Höhere Studien (IHS), schlugen diesen Aspekt in ihrem Konzept vor, und das Wissenschaftsministerium schlug sofort zu.

Nach Migrationshintergrund

"Die große Neuheit" an dieser Studie ist, dass zum ersten Mal nicht nur nach Staatsbürgerschaft unterschieden wurde, sondern aufgeschlüsselt nach Migrationshintergrund. Und da noch einmal differenziert, ob mit oder ohne deutsche Muttersprache beziehungsweise, ob die Studierenden in Österreich in Migrationsfamilien geboren wurden und hier die Schule besucht haben ("Bildungsinländer"), oder ob sie im Ausland geboren oder für das Studium gekommen sind ("Bildungsausländer").

Insgesamt haben demnach 27 Prozent (60.000) aller Studierenden in Österreich Migrationshintergrund (Grafik). Die Hälfte davon ist "extra zum Studieren nach Österreich gekommen" (zunehmend öfter aus Osteuropa), die andere Hälfte stammt aus Migrantenfamilien in Österreich. In beiden Gruppen sind jene mit Muttersprache Deutsch sehr stark vertreten (Deutsche und Südtiroler).

"Gelungene Integration"

Besonders interessant vor dem Hintergrund des vergangene Woche präsentierten Integrationsberichtes ist dabei die Situation der "Bildungsinländer", also jener 17.500 Studierenden mit Migrationshintergrund und nichtdeutscher Muttersprache. "Sie haben das österreichische Schulsystem durchlaufen und sind dann an die Uni gegangen. Sie sind Beispiele für besonders gelungene Integration", erklärt Martin Unger im Standard-Gespräch. Sie stellen acht Prozent aller Studierenden in Österreich.

Auffällig an dieser Studierendengruppe mit Migrationshintergrund und nichtdeutscher Muttersprache ist, dass sie, was ihre soziale Zusammensetzung betrifft, "sehr zweigeteilt" ist: Es studieren deutlich mehr Kinder aus bildungsfernen Migrantenfamilien als aus österreichischen, wo der Vater nur Pflichtschulabschluss hat (13 Prozent versus 8 Prozent). Aber auch die Zahl der Migrantenkinder (39 Prozent) mit nichtdeutscher Muttersprache aus Akademikerfamilien ist wesentlich höher als aus österreichischen (23 Prozent).

Die Polarisierung bezüglich der sozialen Herkunft spiegelt sich auch in den Studienmotiven wider, die sich ebenfalls stark von den Daten der österreichischen Studierenden unterscheiden. Viele Migranten, vor allem der ersten Zuwanderergeneration, wollen durch ein Studium ein "höheres Ansehen erreichen", Studierende aus der zweiten Generation, die hier geboren sind, haben überdurchschnittlich oft akademische Eltern, für die ein Studium quasi Familientradition ist (Grafik).

Mehr Frauen, mehr Jobs

Auffällig an der österreichischen Uni-Migrantengruppe ist auch, dass ihr Frauenanteil gegenüber den Österreichern höher ist (56 Prozent Migrantinnen/53 Prozent Österreicherinnen), sie häufiger bei den Eltern wohnen (31 Prozent versus 25 Prozent) und etwas häufiger erwerbstätig sind während des Semesters (63 Prozent versus 59 Prozent).

Trotz gleicher Rahmenbedingungen an den Unis erleben Studierende mit Migrationshintergrund die Studienbedingungen deutlich problematischer als ihre österreichischen Kollegen. So zeigten sich durchwegs höhere Werte in der Migrantengruppe, wenn es um Aspekte ging, die für den Studienfortschritt als hemmend empfunden werden. Fast 30 Prozent der Migranten an den Unis nennen die Vereinbarkeit von Studium und Erwerbstätigkeit als Problem (24 Prozent Österreicher).

Für Studienautor Martin Unger sind die neuen Daten über Migrantenkinder an den Unis erst ein Anfang: "Das Positive ist, dass es doch so viele an die Uni schaffen. Aber es ist schade, dass wir keine guten Daten über die Maturanten mit Migrationshintergrund haben, weil immer nur auf die Staatsbürgerschaft abgestellt wird. Darum fehlen uns derzeit noch wichtige Vergleichsdaten."

Ein interessantes Studienobjekt gäbe es schon: die Absolventen der ersten Türkisch-Matura . (Lisa Nimmervoll/DER STANDARD Printausgabe, 31. Jänner 2008)