Um die Uni gendergerechter zu machen, müsse die Kultur Österreichs geändert werden – nicht die Betreuungseinrichtungen oder Finanzen, meint Minister Hahn.

Foto: Standard/Hendrich

UniStandard: Im Jänner wurde der Ausbau des Studienförderungsgesetz beschlossen. Worin lagen die politischen Absichten der Novellierung?

Hahn: Wir haben im Regierungsübereinkommen eine Anhebung der Studienförderung um 25 Millionen Euro vereinbart. Die inhaltlichen Eckpunkte der Novellierung waren die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, weiters, die soziale Komponente zu verbessern – Stichwort behinderte Studierende. Drittens die Verbesserung der Mobilität – die Mitnahme einer Studienförderung ins Ausland soll ab Studienbeginn möglich sein. Vierter Schwerpunkt war die Umsetzung der Bologna-Architektur, durch verbesserte Übergangsphasen von Bachelor zum Master. Der fünfte Schwerpunkt war die Ausdehnung der Leistungsstipendien.

UniStandard:  Aus der letzten Studierenden-Sozialerhebung ging hervor, dass Studierende aus sozial begünstigten Schichten in höherem Ausmaß Leistungsstipendien beziehen – aus welcher politischen Motivation wurden diese erhöht?

Hahn: Das kann ich aus der Studie nicht herauslesen. Es wird immer argumentiert, dass die, die sich voll aufs Studium konzentrieren können, es hier leichter haben. Die Leistungsstipendien sind um einen Prozentpunkt angehoben worden, von vier auf fünf Prozent. Das heißt, 95 Prozent der Stipendien sind sozial induziert. Wir müssen auch ein Signal an Studierende geben, die durch besondere Leistungen auffallen, denn auch das brauchen wir.

UniStandard: Inwieweit wurden Gender-Aspekte bei der Novellierung berücksichtigt?

Hahn: Die Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie beruht darauf, dass wir jetzt jedes einzelne Kind bewerten und nicht mehr keinen Unterschied machen, ob es eines oder mehrere Kinder gibt. Eine klassische weitere Genderung sehe ich nicht. Was uns wichtig war, ist dass wir bei den Behinderten etwas gemacht haben. Wir haben die Beiträge für Seh- und Hörbehinderte ausgedehnt. Ich weiß nicht, was man sonst noch gendern kann.

UniStandard: Etwa beim Übergang vom Bachelor zum Master. Laut Studien aus Deutschland brechen viele Frauen nach dem Bachelor ab.

Hahn: Nach dem Bakkalaureat aufzuhören heißt für mich nicht, ein Studium abzubrechen. Das ist ein vollwertiger Abschluss. Wir haben durch die Bologna-Struktur eine größere Bandbreite eingebaut, aber ich kann nicht alle Varianten des Lebens berücksichtigen. Mir ist es wichtig, dass die Grundausbildung sichergestellt ist, und die muss über das Bakkalaureat gehen.

UniStandard: Drückt Bologna, durch den noch früheren Abschluss, die gläserne Decke für Frauen noch herab?

Hahn: Es ist ein Problem und Phänomen, das uns generell beschäftigt, dass in der entscheidenden beruflichen Entwicklungsphase auch die Familiengründungsphase liegt. Die Frau hat in der Regel immer eine Doppelbelastung, oder steht vor der Entscheidung: Beruf oder Familie. Das scheint im deutschsprachigem Raum stärker als in anderen Ländern. Man muss die Kultur hier im Land ändern. Das ist eine Kulturfrage und höchst sekundär eine Frage der Verfügbarkeit von Betreuungseinrichtungen oder finanziellen Fragestellungen. Die kommen natürlich hinzu, aber ich habe nichts davon, Einrichtungen anzubieten, wenn die Frauen sich nicht trauen, sie zu nutzen. Das gleiche Problem gibt es bei den Habilitierungen.

UniStandard: Wird das Problem der langen Wartezeiten beim Stipendienantrag gelöst?

Hahn: Die Frage überrascht mich. Ich höre eigentlich, dass es immer unbürokratischer und abwicklungstechnisch einfacher wird. Wenn das der Fall ist, gehe ich dem persönlich nach.

UniStandard: Welche konkreten Inhalte sind von der anstehenden Novellierung des Universitätsgesetzes zu erwarten?

Hahn: Es mag jetzt als eine semantische Spitzfinderei erscheinen, aber mir ist es wichtig, nicht von einer Novellierung zu reden, sondern einer Weiterentwicklung, weil ich das Gesetz (UG 2002, Anm.) für sehr gut halte. Es war eine fundamentale Zäsur, und wie immer bei solchen gibt es auch hier Kinderkrankheiten.

UniStandard: Und die wären?

Hahn: Im internationalen Wettbewerb um die besten Studierenden und besten Lehrenden brauchen wir an den Universitäten eine Entscheidungsstruktur, die das ermöglicht, also schnellere Berufsverfahren. Ich glaube, dass wir neben den Zuständigkeiten des Senates mehr auf die Zuständigkeiten des Universitätsrates setzen sollten. Dann beschäftigt uns der Themenkomplex der Leistungsvereinbarungen. Bis jetzt gelten sie für drei Jahre. Es wäre sinnvoll, innerperiodische Zielvereinbarungen zu machen.

UniStandard: Also eine Machtverteilung zugunsten des Uni-Rats, auf Kosten des Senats?

Hahn: Wir haben in vielen Bereichen eine Dreiecksbeziehung: Uni-Rat, Senat, Rektorat. Und wie im Leben ist eine Dreierbeziehung zunächst einmal nicht uncharmant, aber nicht hochstabil. Daher ist es gescheiter, wir kommen in eine Struktur aus stabilen Zweierbeziehungen, wo jeweils das Rektorat in der Mitte steht. Die akademischen Fragestellungen, etwa die Lehrplanentwicklung, würde ich auf der Achse Senat–Rektorat ansiedeln. Bei Fragen der universitären Entwicklung sehe ich den Uni-Rat und das Rektorat auf einer Achse.

UniStandard: Gibt es Neuigkeiten vom Teilzeitstudium?

Hahn: Nein. Von meiner Warte aus ist schon alles gesagt. Ich sehe das im Zusammenhang mit dem berufsbegleitenden Studieren, das an den Universitäten, im Gegensatz zur FH, noch eine extrem vernachlässigbare Größe ist. Das möchte ich ändern. (Julia Grillmayr, Tanja Traxler/DER STANDARD Printausgabe, 4. März 2008)