Wo sind die Studierenden hin? Fernunterricht und "blended learning" verlagern den Hörsaal nach Hause. Derzeit gibt es aber noch wenig Angebot für österreichische Studierende, ein reines Fernstudium zu absolvieren.

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Wien/Linz – Sie liegt füßebaumelnd in der Hängematte vor einem Swimmingpool in der prallen Sonne und nippt, den Blick nicht von ihren Unterlagen hebend, an einem alkoholfreien Cocktail. Der Alltag der Fern-Studierenden ist mystifiziert. In Wahrheit wird ein Fernstudium meist in Verbindung mit einem weiteren Vollzeitstudium, Berufstätigkeit oder Karenz absolviert.

"Man muss sehr diszipliniert sein, sich das wöchentlich einteilen, und mitlernen", erzählt Valerie Witzany von ihrem Unialltag. Neben "European Studies" an der Europawirtschaftsschule in Wien studiert Witzany das Multimedia-Studium Jus in Linz. Dieses ist österreichweit das einzige Bachelor- und Master-Studium an einer öffentlichen Universität, das ohne Präsenz absolviert werden kann.

Vorlesungen im Koffer

Nur eine Woche am Anfang des Semesters gilt als Anwesenheitspflicht. In dieser ersten Präsenzphase lernen die Studierenden die Professoren kennen und bilden Arbeitsgemeinschaften. Durch diese Kontakte gäbe es, wenn auch kein Campusleben, doch regen Austausch über diverse Internetplattformen, erklärt Witzany, die in der ÖH Linz die Multimedia-Studierenden vertritt.

Hier werden auch die "Medienkoffer" ausgeteilt. Für jedes Fach wird ein Paket aus Lehrbüchern und DVDs geschnürt, das dem Inhalt der Vorlesungen entspricht.

Das Fernstudium ist mit dem Präsenzstudium Jus in Linz inhaltsgleich und auch der Prüfungsbetrieb läuft synchron. "Die Studenten müssen sich die Vorlesung nicht im Hörsaal abholen, sondern bekommen sie ins Haus geliefert", sagt Andreas Riedler, Leiter des Instituts für multimediale Linzer Rechtsstudien. "Der ganze Vorlesungsbetrieb ist vom Standort Linz gelöst."

Die Kurse kann man im Internet besuchen, per Videostream in Echtzeit abrufen oder innerhalb von zwei Wochen runterladen. Mittels "Chatmodul", Anruf oder Webcam können live Fragen gestellt werden.

Derzeit sind 2800 Studierende im Multimedia-Studium aktiv. Mit 600 Studienanfängern pro Jahr seien das doppelt so viele wie Jus-Präsenzstudenten, sagt Riedler. Man könne für jedes Fach frei wählen, ob man es im Präsenz- oder Fernstudium belegt, und auch wieder wechseln.

"In Linz beginnt's", stimmt in Sachen Fernstudium definitiv. Die Uni Linz hat als einzige Universität hierzulande ein "Zentrum für Fernstudien" (ZF). Dieses betreut das Angebot der Kooperation mit der Fernuniversität Hagen, die eine weitere der wenigen Möglichkeiten bietet, der Uni fernbleibend zu studieren.

Sieben Studienzentren, im ganzen Land verteilt, dienen als Erstanlaufstelle für Information und Beratung. "Katalysatoren ins Studium", nennt sie Josef Reif vom ZF.

Ganze Studien oder einzelne Module zur Weiterbildung können belegt werden. Ein Vollzeitstudium dauert etwa sechs, ein Teilzeitstudium um die acht bis zehn Semester. Der Kostenpunkt liege im Falle von Teilzeitbasis bei 350 Euro.

Einzelne verpflichtende Veranstaltungen und Prüfungen je nach Fach können in Hagen oder in einem der Studienzentren belegt werden. "Man muss gegebenenfalls eine Urlaubswoche riskieren", erklärt Reif. Der Großteil der Prüfungen sei aber in Österreich absolvierbar oder wird per Videoprüfung mündlich gemacht.

Belastbare Fernstudierende

"Fernstudierende sind sehr belastbar", spricht Reif von einer guten Anerkennung am Arbeitsmarkt.

Auch in Wien setzt man immer mehr auf "blended learning". Im Sommer 2007 waren bereits 2900 Kurse auf der universitätsweiten E-Learning-Plattform registriert.

Ebenso in Graz gibt es multimediale Hilfe für Studierende, die es nicht immer zur Vorlesung schaffen. Seit letztem Semester filmten Studierende im Rahmen der von der ÖH initiierten "Televersität" Teile der großen Einführungsvorlesung für Rechtswissenschafter und stellten sie online. Nach dieser Pilotphase soll das Angebot ausgebaut werden. (Julia Grillmayr/DER STANDARD Printausgabe, 4. März 2008)