Kaiser in Zivil: Robert Palfrader über Lust und Not des Mummenschanzes.

Foto: STANDARD / Christian Fischer

... – das Porträt eines, den der Dämon jagt.

Wien – Dass er in Horváths Geschichten aus dem Wiener Wald einen Fleischhauer spielt (Premiere 6.3. im Wiener Volkstheater, 19.30 Uhr), noch dazu den katastrophal liebesbedürftigsten, den sich Ödön von Horváth, ein geschworener Parteigänger der "kleinen Leute", jemals ausgedacht hat, war ihm ein Stück weit in die Wiege gelegt. Der Einstieg ins Fach der Kleingewerbetreibenden kam unerwartet, denn Karriere hat der gebürtige Maria Enzersdorfer Robert Palfrader (39) bekanntlich als Kaiser gemacht. Als "Robert Heinrich I." im weißen Audienzrock gab er bis Mitte Jänner ein televisionäres Denkbild nostalgisch verbrämter Nutzlosigkeit ab.

Als näselnder Parasit auf einem hastig ausgelobten ORF-Comedy-Thron entzückte er im Rahmen der Donnerstagabend-Schiene selbst unverbrüchliche Republikaner. Habsburgisch abgemildert klang allein sein Zungenschlag. Die gönnerhafte Frechheit, mit der er den eingeladenen "Promi"-Zelebritäten zusetzte, verriet hingegen den unverbesserlichen Plebejer.

Palfrader trieb die ausgebufftesten Medienprofis in eine Art von Hilflosigkeit hinein: in das Gestammel von Almosennehmern. "Angebracht" habe er die Idee zu diesem Format beim allgewaltigen ORF-Programmchef erst beim zirka fünften Anlauf. Bei der Preisgabe solcher Betriebsgeheimnisse lächelt Palfrader, Spross einer Fleischhauerdynastie, wie ein Raubtier. Robert Palfraders Charme ist eine einzige Unverfrorenheit.

Soeben hat der Zahlkellner des Kaffeehauses, in dem der neu verpflichtete Horváth-Schauspieler über Horváth nachdenkt, ein Erinnerungsfoto von sich und seinem "kaiserlichen" Gast schießen lassen. Im Fasching, erzählt der sympathische Ober ungefragt, habe er sich seinerseits als Kaiser Franz Joseph verkleidet. Sein Zwinkern wirkt kollegial, wenn auch nicht eben republikanisch.

Ein Kaiser als Oskar

Der Mann zeigt bereitwillig ein Gschnas-Foto her: Tatsächlich, der Rock des Kaisers ziert den Kellner, ein monströser Backenwattebart verklebt ihm die Wangen. Gastronomisch Angestellte und Spaßgewerbetreibende eint offenbar das Faible für das Gottesgnadentum. "Die Kaiser-Figur erdrückt mich", stammelt Palfrader. Man weiß nicht recht, ob er sich nun geschmeichelt fühlt oder unangenehm berührt ist. Später sagt er noch: "Kabarettisten sind Menschen, die von allem nichts wissen, und nicht einmal das können sie gescheit."

Er, Palfrader, trage seine Herkunft nicht offen vor sich her. "Dabei wollten meine Eltern durchaus, dass ich Fleischhauer würde." Kunststück: Palfrader entstammt dem angesehenen Selcherei-Betrieb Radatz. "Für eine Firma zu groß, für einen Großbetrieb zu klein", wie er sagt. Sein Vater sei der Betriebsleiter dort gewesen. Klein-Robert verstand sich früh als Snob. Mit den Feinheiten der Wurst-abfüllung machte er sich – nicht ganz freiwillig – als Ferialpraktikant vertraut.

Was der zwischenzeitliche Cafetiér und Pointenschreiber damit ausdrücken möchte: "Ich entstamme einem viel zu großen Familienbetrieb." Er habe, wie so viele Komödianten, nichts Rechtes gelernt. Sein Vater hätte gerne gesehen, dass er Mediziner geworden wäre: "Fleischerei und Medizin liegen ja nicht weit auseinander – wenn man sich manche Ärzte so anschaut ..."

Natürlich liebt Palfrader den fantastischen Qualtinger, den berühmtesten Oskar der neueren Horváth-Geschichte. Seine Mutter hätte, als er von Volkstheater-Direktor Schottenberg engagiert worden war, prompt geäußert: "Da ziehst du dir ja große Schuhe an!" Noch zwicken sie. Denn, wiederum biografisch gesprochen: "Ich war für das Fleischhauergewerbe zu deppert – also habe ich Komödiant werden müssen."

Heute schwärmt Palfrader, der vom Theater so ostentativ wenig zu verstehen vorgibt, von der Volkstheater-Probenatmosphäre. Von einer Erni Mangold als "Großmutter", die seinen szenischen Orientierungsversuchen mit Huld begegnet. Von einem Regisseur Georg Schmiedleitner, der wie ein "Tiger im Käfig" durch das Parkett streiche, um seine Schauspieler – darunter Michael Schottenberg als Zauberkönig – anzufeuern.

Im Grunde, sagt Palfrader, sei sein ganzes Leben ein einziger Ausbruchsversuch. Ein verhätscheltes Kind sei er gewesen. Dabei jagten ihn "Dämonen". Wohin? "Von Maria Enzersdorf nach Wien". Er habe immer gewusst, dass er Komödiant werden wollte. Er wusste nur nicht immer, wie. (Ronald Pohl / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6.3.2008)