Wien - Gedenken und höchste akademische Anerkennung standen am Mittwoch beim "Dies academicus" der Universität Wien auf dem Programm. Anlass war das Zusammenfallen des 643. Gründungstags der größten Uni des Landes und des 70. Jahrestags des "Anschlusses" Österreichs an Hitler-Deutschland. Bundespräsident Heinz Fischer erinnerte bei der Sub-auspiciis-Promotion der beiden Mathematiker Evelina Erlacher und Harald Grobner, dass vor 70 Jahren die Uni von einem Tag zum anderen eine andere geworden sei - oder vielmehr: "Sie war keine keine Universität mehr."

Universität ohne Freiheit

"Eine Universität ohne Freiheit, ohne Möglichkeit, Meinungen offen auszusprechen, ohne die Möglichkeit, autonom zu forschen, von der Menschen aus rassischen Gründen ferngehalten und von der Menschen vertrieben werden, ist keine Universität mehr", betonte Fischer. Gleichzeitig meinte Fischer, dass die Uni Wien 1945 zu den ersten Institutionen gehört habe, die versuchte, "die Tür für freie Gedanken wieder aufzumachen". Allerdings hätten auch hier die Ereignisse der Jahre 1938 bis 1945 nachgewirkt: "Die Vergiftungserscheinungen konnte man nicht von einem Tag zum anderen beseitigen."

Die Vizerektorin der Uni Wien, Christa Schnabl, erinnerte ebenfalls an den "Anschluss" und daran, dass die Uni Wien "an dieser dunklen Zeit teilweise selbst aktiv mitgewirkt hat". Dabei hinterfragte sie die Rolle der Intelligenz, deren besonderes Potenzial eigentlich zum Widerstand hätte befähigen müssen. Intellektuelle würden sich aber oft durch "geistige Wendigkeit" auszeichnen - "ihnen fällt immer etwas ein, dass das, was vonstatten ging, auch so vonstatten gehen musste". Es gebe eine "offensichtliche Labilität" der Intellektuellen gegenüber wechselnden politischen Strömungen: "Es besteht die Gefahr, Wendehälse zu werden."

Auszeichnungen

Für eine sub-auspiciis-Promotion müssen alle Oberstufen-Klassen mit Vorzug und die Matura mit Auszeichnung absolviert, an der Uni alle Diplomprüfungen und die Dissertation mit "sehr gut" beurteilt werden. Beide Ausgezeichneten waren Forschungsassistenten an der Uni Wien. Erlacher wechselte nach dem Abschluss ihres Studiums zur BAWAG P.S.K., wo sie für die Risikobewertung von Finanzinstrumenten zuständig ist. Grobner ist seit Jahresbeginn Junior Research Fellow am Erwin-Schrödinger-Institut für mathematische Physik.

Die Österreichische HochschülerInnnenschaft (ÖH) erinnerte an den "Anschluss" mit einer Aktion in den Universitätsstädten Wien, Klagenfurt, Linz und Graz, bei der Täter- und Opfergruppen durch verschiedene T-Shirts dargestellt wurden.(APA)