Per 1. März 1994 trat das Richtwert-System (mit Zu- und Abschlägen je nach Lage und Ausstattung) an die Stelle des bis dahin gültigen Kategoriemieten-Systems. Es galt ausschließlich für Neu-Mietverträge, in bestehende Verträge wurde damit nicht eingegriffen.

Schon damals wurde vereinbart, dass an jedem ersten April die Inflationsrate vom vorangegangenen Dezember (im Vergleich zum jeweiligen Vorjahreswert) zur Anpassung herangezogen wird. Im Dezember 2007 betrug diese Rate 3,6 Prozent – viel zu hoch, klagten Mietervertreter und auch die Regierungsparteien. Für 350.000 betroffene Haushalte hat die Regierung nun in letzter Minute eine Verbesserung beschlossen: Die Richtwertmieten werden nur um 2,2 Prozent angehoben, das entspricht der Jahres-Inflationsrate 2007.

Die Auswirkungen sind sofort spürbar – durchschnittlich erspare sich ein Haushalt dadurch laut Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (ÖVP) "fast einen Hunderter" jährlich.

Dem künstlichen Hochschaukeln der Mieten wird damit etwas Einhalt geboten – der Weisheit letzter Schluss kann es aber nicht sein, bloß den Jahresdurchschnittswert heranzuziehen. Schließlich wäre es genauso gut umgekehrt möglich: Dass die Dezember-Inflationsrate unter dem Jahresdurchschnitt liegt. Kehrt man dann einfach zur alten Regelung zurück?

Ohnehin ist der Beschluss von Bartenstein und Justizministerin Maria Berger (SPÖ) nur ein Kompromiss: Viel weiter reichende Vorschläge sähen eine Erhöhung der Richtwertmieten erst ab einem Inflations-Sprung von zehn Prozent vor, davon hat man vorerst noch Abstand genommen. Laut den weiteren Plänen der Regierung soll im Herbst beschlossen werden, dass erst bei einem fünfprozentigen Inflationsanstieg die Mieten erhöht werden dürfen.

Auf den ersten Blick eine vernünftige Maßnahme: Wenn ein oder zwei Jahre lang die Mieten nicht angehoben werden dürfen (weil die Schwelle von fünf oder zehn Prozent nicht erreicht ist), können die Mieten den Verbraucherpreisindex nicht beeinflussen, die gesamte Inflationskurve könnte so deutlich abflachen. Die Immobilienwirtschaft wies allerdings darauf hin, dass die reine Entwicklung der Mieten (ohne Betriebskosten) mit einem Anstieg von zwei Prozent im Jahr 2007 zuletzt ohnehin "inflationsdämpfend" gewirkt habe und bloß die "überproportionale Steigerung" der Kosten für Müllabfuhr, Wasser, Abwasser usw. dafür verantwortlich sei, dass die Wohnkosten in den letzten Jahren geradezu explodierten. Laut Arbeiterkammer enthalten die auf den Mieter überwälzbaren Hausbetriebskosten aber nur zu einem Drittel kommunale Dienstleistungen wie Müllabfuhr, Wasser und Kanal, den Großteil machen Hausverwaltungs-, Versicherungs- und Reinigungskosten sowie die Grundsteuer aus.

Wie dem auch sei: Dass sich die Immobilienwirtschaft gegen die nun getroffenen Maßnahmen wehrt, ist verständlich. In erster Linie muss es aber darum gehen, leistbaren Wohnraum für die Bevölkerung zu gewährleisten. Das Wohnrecht war in den vergangenen Jahren viel zu vermieterfreundlich – und zwar nicht erst seit Schwarz-blau, sondern schon seit Mitte der 90er-Jahre, also unter der letzten rot-schwarzen Koalition.

Bei seiner Einführung 1994 hielt der Haus- und Grundbesitzerbund das Richtwert-System für "zu kompliziert", auch der ÖVI erwartete damals bloß "mehr Bürokratie sowie mehr bzw. längere Gerichtsverfahren" als Folge. Tatsache ist aber, dass seit dem Jahr 2000 der Mietenindex doppelt so stark gestiegen ist wie der Verbraucherpreisindex.

Fast im selben Ausmaß wie die Mieten legten übrigens auch die Baukosten zu – auch das Argument der Immobilienwirtschaft, dass die Hausbesitzer nicht die alleinige Schuld an den hohen Mietkosten haben, ist deshalb wohl nicht von der Hand zu weisen.

Maßnahmen wie klar definierte Höchstzuschläge bei den Richtwerten können helfen, die Mieten einigermaßen im Zaum zu halten. Ohne den breiten Blick auf den gesamten Verbraucherpreisindex – also über die Mieten hinausgehende Maßnahmen zur Eindämmung der Inflation - wird das auf lange Sicht aber nicht funktionieren. (Martin Putschögl, derStandard.at, 13.3.2008)