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Die Babyboom-Generation wird langsam älter

Foto: APA/dpa/Martin Gerten
Die Österreicher werden im Durchschnitt immer älter: Seit 1900 hat sich die Sterberate halbiert, die Lebenserwartung verdoppelt und auch die Babyboom-Generation kommt langsam aber sicher in die Jahre. Die logische Konsequenz: große Auswirkungen auf den Arbeitmarkt. "Spätestens nach dem Jahr 2010 wird sich die Belegschaft in den Firmen ändern", bestätigt Maria Theraesia Schwarz-Wölzl vom Zentrum für Soziale Innovation in Wien bei einem Vortrag im Rahmen der Initiative "IT-Salon pour elle" zum Thema 'Die Zukunft der Arbeit'.

"Potenzial aus den Älteren schöpfen"

Bis 2030 werde es in Europa 66 Millionen ältere Menschen geben, die Zahl der Jungen werde auf 44 Millionen sinken. "Die Unternehmen müssen sich darauf einstellen, dass sie ihren Personalbedarf zunehmend aus den Älteren schöpfen müssen", sagt Schwarz-Wölzl, die auch das Leonardo da Vinci Projekt "mature@eu" in Österreich koordiniert. Derzeit sind in Europa 80 Prozent der 30- bis 49-Jährigen beschäftigt, jedoch nur 41 Prozent der über 55-Jährigen, in Österreich sind es gar nur knappe 29 Prozent. Doch die Zahlen steigen.

"Wir bleiben jung beim Altwerden"

Dass diese Entwicklung durchaus schon die Unternehmen berührt, glaubt Strategieberater Franz Kühmayer: "Das Thema hat unheimliche Resonanz, wenn man in Führungsetagen danach fragt." Für ihn lautet die Botschaft so: "Wir werden zwar immer älter, bleiben dabei aber immer länger jung."

Darin sieht er wiederum Absatzpotenzial für die Unternehmen: Die Zielgruppen fast aller Industrien altern gleichzeitig mit den Arbeitnehmern, daher sind sie wiederum auch interessante Kunden für die so genannten 'Silver Industries'. Kühmayer weiß auch ein Beispiel zu erzählen: "Ein Autohersteller in Deutschland konnte seinen Gewinn um ganze acht Prozent steigern, weil es die Ausstattung auf die Wünsche älterer Kunden adaptiert hat."

Entwickeln für die eigene Altersklasse

Ein anderes Beispiel: "Handys für Ältere schauen oft aus wie Funkgeräte, aber meine Mutter will ja auch, dass ich auf ihr Handy neidisch bin." Was er damit sagen will: Auch diese Produkte müssen ihren Reiz haben und nicht nur große Tasten. Sehe man Werbung für Ältere in Österreich, ist es eine für dritte Zähne oder die Vorsorge für die Enkel.

In den USA habe man das Potenzial der neuen Kundenschicht schon erkannt: dort wirbt man für Golfurlaub und Luxusprodukte, für jene, die es sich leisten können. Bei den Produkten für ältere Menschen ortet Kühmayer gleichzeitig auch einen positiven Aspekt für die älteren Mitarbeiter: "Sie können diese Produkte für ihre Altersklasse auch besser entwickeln, als ein frisch gebackener FH-Abgänger."

Unternehmenserfolg durch eine gute Mischung

Der Unternehmenserfolg wird also künftig davon abhängen, wie gut es Firmen verstehen die Potenziale jüngerer und älterer Mitarbeiter zu erkennen. "Gut wäre eine Drei-Generationen-Balance", weiß Schwarz-Wölzl und meint damit, dass sich die Alterskurve der Beschäftigten von einem derzeitigen umgekehrten U in eine Horizontale verwandeln sollte.

"Es gibt unumstritten einen Unterschied zwischen Jung und Alt. Es geht aber nicht darum, wie wir diesen ausgleichen, sondern wie wir ihn ausschöpfen können, das kann Unternehmen wieder große Energie geben", meint Kühmayer. Eine Strategie: die Fähigkeiten von Jung und Alt vereinen. Ein Beispiel aus der Verkaufspraxis: "Ein junger Vertriebsmitarbeiter wird Ihnen alle technischen Raffinessen eines Flatscreenfernsehers aus dem 'Efef' aufzählen können, ein älterer wird Sie zuerst einmal fragen, wie ihr Wohnzimmer aussieht."

Schwierig fassbare Diskriminierung

Dennoch: Das Phänomen der Altersdiskriminierung existiert. Laut Umfragen denken fast die Hälfte der Europäer, dass es Altersdiskriminierung gibt, sprich über 50-Jährige werden in unserer Gesellschaft oft für nicht mehr arbeitsfähig gehalten. Es herrscht oft das Klischee, dass Ältere weniger technisch versiert sind, vor allem bei Jüngeren. Umgekehrt denkt das der Großteil der Älteren aber nicht von sich selber. Hier muss Aufklärung betrieben werden. Die Niederlande seien da ein Vorbild – dort werden ältere Berufstätige in Europa am wenigsten diskriminiert.

Das Problem, so Schwarz-Wölzl, sei dabei aber, dass Altersdiskriminierung schwierig zu identifizieren und auch zu quantifizieren ist. Derzeit bleibt in Österreich aber auch die Re-Integration der Älteren in den Arbeitsmarkt prekär: Für 22 Prozent der befragten Manager ist das Alter ein Recruitingmerkmal. Über 55-Jährige müssen in Österreich mit einer fast 14-prozentigen Gehaltsreduktion rechnen, um wieder am Arbeitsmarkt Fuß fassen zu können.

Produktiv durch Qualität

Länger arbeiten bedeutet auch länger produktiv sein zu müssen, das jedoch funktioniere nur durch Qualität, so Kühmayer: "Es geht nicht um größere Portionen am Teller, sondern um das bessere Rezept." Und noch ein wichtiger Aspekt, den Österreich als Wirtschaftsstandort künftig beherzigen müsse: "13 Prozent der Wiener sind überqualifiziert für die Arbeit, die sie machen, bei Menschen mit Migrantenhintergrund sind es 37 Prozent. Das werden wir uns auf Dauer nicht leisten können."

Das scheinbare Problem als Lösung

Die gemeinsame Botschaft von Schwarz-Wölzl und Kühmayer: Unsere Zukunft wird davon abhängen, ob wir die Potenziale der aktiven Älteren erkennen. Die Älteren sind nicht Teil des Problems sondern die Lösung. (mat, derStandard.at,17.3.2008)