Kein artgerechter Umgang mit Rind, fand Fidler: Roter Wolf in Langenlebarn.

Zum Roten Wolf
Bahnstraße 58
Langenlebarn/NÖ
02272/625 67
Zu zweit mit Weinbegleitung wie geschildert: 120 Euro.

fid
Das war definitiv keine artgerechte Haltung. Und sagen Sie nicht, ich wäre nicht flexibel im Umgang mit rohem Rind (und seinen Schreibweisen): Ob nun Beef Tatare beim Artner mit Dijonsenfeis , ein bisschen salzig beim Pfarrwirt , ein bisschen süßlich in der Traube in der südlichen Steiermark und so ewig fort in Fidlers Roheit, von meinen Carne-Cruda-Orgien mit Kalb im Piemont gar nicht zu schreiben (etwa im göttlichen Madonna della Neve ).

Ikea-Wirt

Und dann sitz ich verstört im Tullnerfeld vor einem Beef Tatare, das im wesentlichen aus rohem Fleisch und Mayonnaise besteht. Klumpig, fad, der Magen rebelliert in bisher ungekannten Tonlagen. Warum nur? Damit's feiner wird als mit Olivenöl, erklärt mir Patron Johannes Böck, der uns aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen duzt wie Ikea, wohl damit's heimeliger wird in der holzverkleideten Stube. Großzügigst schenkt Herr Böck ein, aber das vermag mich nicht so recht zu trösten. Ein äußerst lobenswertes Ziel, das mit der Feinheit, leider mit dem Tatare so gar nicht erreicht.

Der Rote Wolf in Langenlebarn bei Tulln gilt, so ergab meine kleine persönliche Marktforschung, nicht nur in meinem Hinterkopf als herausragendes Lokal. Bisschen teuer, erinnern sich manche, bisschen schrulliger, aber stets sehr, sehr netter Service. Und eigentlich sehr gutes Essen.

Das mit dem Essen fand ich schon bei einem Besuch vor drei Jahren nicht so ganz bestätigt, aber da ging es um rasch noch was mit einer größeren Runde am Sonntag und so halt. Nicht schlecht, aber auch nicht wirklich spannend, fand ich.

Knödelproblem

Also noch einmal und ausgiebiger probieren. Tatare vom Rind, ein kleines Schockerlebnis. Das Tatare vom Thunfisch, Böck berichtet von ökologisch vertretbarem Fang und "mega" Qualität, sehr asiatisch und absolut gut. Kleine Grammelknödel als Zwischengang können mich nicht wirklich versöhnen: Das Kraut sehr gelungen, die Knödel aber haben mir einfach zuviel zu cremige Fülle, der Teig sehr dünn (gewiss eine hohe Kunst) und mir zu zäh.

Und was war nun mit dem Wolf als Krustentier? Nun, die Entenbrust, auf die ich ausgesprochen scharf gewesen wäre, wäre in Sesam-Honigkruste mit Frühlingsrolle gekommen, was sie mir im Tullnerfeld wieder ein bisschen verleidet hat. Womöglich hab' ich was versäumt. Mein Lammkarree kam in Bärlauchkruste (sehr ok), die geschmorte Lammstelze wiederum hätte auch eine Kruste gehabt, aber die hab' ich mir nicht mehr notiert.

Ton in Ton

Eine Art Kruste auch für den Fisch: Der Wels kam offenbar frisch aus dem Kalter und, nun, leider, in eine Mehlpanier, was den Teller ein bisschen eintönig aussehen ließ: Erdäpfelpuffer und Fisch, alles Ton in Ton mit der Paprikasauce, nur der erfreulich einfach gedünstete Bärlauch sticht (auch geschmacklich) angenehm hervor. An dem Tier schieden sich übrigens die Tester: Ich fand die Kartoffelpuffer ganz ok und den Fisch zu lasch, meiner so geschmackssicheren Begleitung hingegen erschien der Fisch durchaus gut, dafür waren ihr die Puffer nicht recht. Sie sprach von, nun, nennen wir es etwas reiferes Fett.

Warum?

Solcherart verstört, frage ich mich, wie andere den Wolf so finden. Im Gault Millau gar nicht. Offenbar seit 2002 kommt er dort nicht mehr vor, und das anscheinend, weil die Böcks die Fragebogen des Fressführers beharrlich ignorierten (hab ich mir ergoogelt).

A la Carte hilft - nicht wirklich. Auf der grünen Seite des Mahls finde ich den roten Wolf zwar. Aber mit 85 Punkten und zwei Sternen auf gleicher Höhe wie der Sodoma in Tulln (sein Gasthaus zur Sonne hat immerhin drei statt zwei Flaschen wie der Wolf). Warum, frage ich mich selbst unter gnadenloser Verleugnung sämtlicher Sympathiepunkte für die Tullner. Und nur 77 Punkte für den doch schon ziemlich prachtvollen Floh gleich ums Eck in Langenlebarn? Muss ich Dilettant das verstehen?

Dritter Versuch, "Falter": "Die begnadete Küche der Susi Böck macht den ,Roten Wolf' zu einer Pilgerstätte für Liebhaber verfeinerter regionaltypischer Speisen. Das Haus sieht von außen nicht besonders spektakulär aus, drinnen warten aber perfekte Gastronomieerlebnisse." Das mit dem Haus kann ich bestätigen. Dass Frühlingsrollen, Sesam-Honigkrusten und asiatischer Thunfisch für das Tullnerfeld typisch sind, war mir zumindest neu.

Bei den diesjährigen wwei-Empfehlungen für Ausflugslokale an der Bahn lese ich noch: "Johannes und Susanne Böck meistern ihre Sache nach wie vor mit Bravour; jedenfalls haben die Qualitäten in Küche und Keller aber schon gar nichts eingebüßt." Nun, das mit der Bahn kann ich bestätigen: Näher an der Trasse liegt nicht einmal der Assl in Götzendorf . Nicht alles, was hinkt, ist gleich ein Vergleich. Aber dort hat's mir mit weniger persönlicher Betreuung besser geschmeckt.