Wien - Acht Tage sind innerhalb einer Stadt schon für einen normalen Brief ein langer Postweg. Für elektronischen Mailverkehr ist es ziemlich unglaublich. In der digitalen Kommunikation zwischen Polizei und Justiz ist es derzeit der Normalzustand, die Übermittlungsrückstände zwischen Innen- und Justizressort betragen bis zu acht Tage, muss Christian Pilnacek vom Justizministerium am Dienstag bei einem Pressegespräch in Wien eingestehen, bei dem es um die ersten Erkenntnisse nach drei Monaten "Strafprozessordnung neu" geht.

Eine bahnbrechende Umstellung im Vorverfahren, bei der die Verantwortung für die Ermittlungen bis zur Anklage vom Untersuchungsrichter zum Staatsanwalt gewandert ist - die aber vor allem in der Bundeshauptstadt mehr als zäh verläuft. Nicht nur, dass der elektronische Akt von der Polizeiinspektion in die Kanzlei der Anklagebehörde quälend lange braucht. Knapp die Hälfte der Berichte von Exekutive an Justiz werden überhaupt wie früher in Papierform verschickt.

Personalmangel

In Kanzleien, die unter gravierendem Personalmangel leiden und daher auch nicht dazu kommen, Akten für Verteidiger zeitgerecht parat zu haben, wie Pilnacek zugibt. "Wir hatten ein Verhältnis von eins zu eins zwischen Richtern und Kanzleikräften. Bei den Staatsanwälten haben derzeit drei Beamte eine Kanzleikraft. Wir wollen aber auf frühere Verhältnisse kommen."

Bei der Zahl der Staatsanwälte (324) und Richter (rund 1800) selbst sieht man im Justizressort derzeit allerdings keinen besonders eiligen Aufstockungsbedarf, obwohl die Standesvertreter diesen vehement einfordern.

Ein erhöhter Personalbedarf in diesen Bereichen könnte allerdings entstehen, wenn die Rechtsanwälte die neuen gesetzlichen Möglichkeiten erst einmal anwenden. Das ist für Pilnacek nach Auswertung der Daten von Jänner bis März nämlich eine der frappierendsten Erkenntnisse: Einspruchsmöglichkeiten auf Seiten der Beschuldigten werden im Gegensatz zu jenen der Opferseite nur spärlich genutzt.

Ganze neunmal beeinspruchte ein Verteidiger zum Beispiel verweigerte Akteneinsicht, zehnmal wurde ein Antrag auf Einstellung eines Verfahrens gestellt (zweimal erfolgreich). Dagegen wollten 177-mal Bürger die Fortführung eines von der Staatsanwaltschaft bereits eingestellten Verfahrens (bisher in 19 Fällen erfolgreich). "Die Beschäftigung der Verteidiger mit dem neuen Gesetz im alten Jahr war vielleicht unzureichend", merkt Pilnacek mit feinem Lächeln an. (Michael Möseneder, DER STANDARD Printausgabe, 2.4.2008)