VinziRast-Gründerin Cecily Corti: "Die Menschen erfahren bei uns Wertschätzung."

Foto: Nicole Bojar

Mindestens 30 Leute müssen satt werden: Verena, Anna und Josef am Werk.

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Am Plan steht heute Spinat. Fünf Kilo blubbern im Topf.

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Ein Bett, eine warme Mahlzeit, ein bisschen Ruhe: Die VinziRast ist für viele der einzige Zufluchtsort.

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Fleischereien und Bäckereien unterstützen die Notschlafstelle mit Lebensmitteln.

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Der Duft von zerlassener Butter hat sich über die Küche gelegt und wandert zu den Tischreihen mit den roten Stapelsesseln. Auf dem riesigen Herd blubbern in zwei Töpfen fünf Kilo Cremespinat friedlich vor sich hin. Davor hantieren Josef, Verena und Anna mit zwei Pfannen, in denen sie Augsburgerhälften anbraten und Spiegeleier brutzeln. Seit zwei Stunden stehen sie in der Küche und schälen, schneiden, rühren. Rasch, ohne sich dabei im Weg zu stehen. Es ist kurz vor halb sieben. "Wir liegen gut in der Zeit", sagt Josef. Die Teamarbeit hat funktioniert. "Bald geht es los." Von draußen dringen Stimmen in den Raum, die ersten Gäste sind da.

Freiwillige Köche

Seit vier Jahren öffnet die Notschlafstelle VinziRast im 12. Wiener Gemeindebezirk Punkt 18.30 Uhr ihre Türen für alle Bedürftigen, die einen Unterschlupf suchen. Hier finden sie ein Bett und eine warme Mahlzeit. "Angefangen haben wir mit Butterbroten," erzählt Cecily Corti, Gründerin und Obfrau der VinziRast. Das hat sich bald geändert: Heute kochen hier viele Freiwillige, zum Teil mit selbst gespendeten Lebensmitteln; auch Firmen wie Anker, Trünkel oder Manner stellen der Schlafstelle kostenlos Naturalien zur Verfügung. Die Kochgruppen haben sich selbst zusammengefunden; manche kommen einmal in der Woche, manche einmal im Monat. Jedem steht es offen, für die derzeit etwa 30 bis 40 täglichen Gäste ein Essen zuzubereiten.

"Unsere KöchInnen kommen aus ganz unterschiedlichen sozialen Gruppen", sagt Corti. "Auch MitarbeiterInnen einer Rechtsanwaltskanzlei haben hier schon gekocht; eine Fondsgesellschaft, die für unsere neue Küche gespendet hat, hat sogar ausdrücklich darauf bestanden, die hier auch zu benutzen. Die Leute suchen den Kontakt zu unseren Gästen." Die neue Küche ist seit Anfang dieses Jahres fertig, die letzten Spuren der Umbauarbeiten im gesamten Haus werden bis Mitte April verschwunden sein: Seit Juni 2007 wird die VinziRast auf Betreiben von Hans Peter Haselsteiner, dem Vorstandsvorsitzenden der STRABAG, komplett renoviert.

"Endlich etwas Warmes"

Nachdem sich die Gäste am Empfang registriert haben, tröpfeln sie langsam in Küche und Speiseraum ein, die lediglich von einer Theke getrennt werden. Dort fädeln sich die ersten Hungrigen in einer Reihe auf und schauen den KöchInnen auf die Finger. Senad mustert Topf- und Pfanneninhalte und lächelt. "Endlich was Warmes", freut sich der 27-Jährige. "Dauert es noch lange?" fragt er, während er jeden Handgriff von Josef, Verena und Anna mitverfolgt. "Ich hab den ganzen Tag nichts gegessen. Und draußen ist es heute wirklich kalt", fügt er fast entschuldigend hinzu. Die ersten Portionen wandern über die Theke, zufrieden ziehen sich die Gäste mit den vollen Tellern zu den Tischen zurück. Die Stimmung ist entspannt, teilweise sogar ausgelassen. Viele bedanken sich mit einem Lächeln bei den KöchInnen. „Ihr habt ein großes Herz!“, sagt Senad, bevor er mit Spinat und Spiegelei verschwindet.

Nachdem alle verköstigt sind, bleibt Josef eine kleine Verschnaufpause. Der 30-jährige Künstler kocht mit seinen KollegInnen vom Kochklub Kühn seit Anfang dieses Jahres einmal im Monat für die VinziRast. Die Lebensmittel spendet der Klub aus seiner eigens dafür eingerichteten Sozialkassa. "Es ist ein gutes Gefühl, direkt helfen zu können", sagt Josef. "Wir waren anfangs überrascht, wie freundlich hier alle sind, und wie einfach es ist, mit den Leuten in Kontakt zu treten." Wenn die Töpfe geleert sind, leisten die KöchInnen den Gästen der VinziRast Gesellschaft, trinken gemeinsam mit ihnen ein Bier, spielen UNO und plaudern.

Kochen schafft Nähe und Vertrauen

Jeder hier hat eine lange Geschichte zu erzählen. "Das Kochen schafft Nähe und Vertrauen, und bestätigt den KöchInnen, dass unsere Gäste nicht so viel anders sind wie sie selbst. Sie arbeiten mit Hingabe und Sorgfalt, nie mit der Einstellung ‚Ach, das ist für die gut genug’", sagt VinziRast-Gründerin Corti. "So erfahren unsere Gäste mit einer Mahlzeit auch Wertschätzung." Das gemeinsame Kochen und Essen baue auch große Mankos der Gäste ab: Das Gefühl von Zugehörigkeit, Gemeinsamkeit, Vertrauen."

"Essen verbindet immer", sagt Franz. Der 47-jährige Immobilienmakler kocht seit mehr als einem halben Jahr für die VinziRast, hat viele der aktuellen Kochgruppen organisiert. "Die Stimmung hier ist fast familiär. Mit der Arbeit hier hilft man nicht nur den Leuten hier, sondern auch sich selbst: Man ist sich dann wieder im Klaren, wie klein die eigenen Probleme sind." (Nicole Bojar)