Ich und mein Magnum, hier Massimo Botturas Interpretation: Gänseleber am Stiel im Hangar 7.

Ikarus im Hangar 7
Roland Trettl kocht Massimo Bottura, noch bis Ende April
Wilhelm-Spazier-Str. 7A
Salzburg
+43/662/2197

Zweimal drei Gänge, zwei Gläser Wein, Wasser: 180 Euro. Das Neungängemenü steht mit 125 Euro in der Karte.

Foto: kohi
Was, bitte, ist eine "Erinnerung an ein Mortadellabrötchen", die ganz am Anfang auf der Karte steht? Konstantin Hilberg, der Mann, der mehr Antworten weiß als mir Fragen einfallen, drängt mir seine Interpretation diesmal ganz unverlangt auf. Ihm klingt das nach heftigem Aufstoßen oder Schluckauf, scherzt Herr KoHi, als wir Nebenerwerbshedonisten mittags den Hangar 7 entern.

Roland Trettl kocht in der roten Bull-ettenbude gerade Massimo Bottura nach, der sein Lokal in Modena trotz Airs und Schäumchen und Kompressionen recht simpel Osteria nennt, Osteria Francescana eben.

Abgehoben

Luft? Abgehoben? Wo sonst als im großen Spielzeugland von Dietrich Mateschitz? Herr Hilberg wird seinen Scherz von den kulinarischen Erinnerungen gleich bereuen, wenn er unter den gar nicht so luftigen Magenbelastungen von Herrn Bottura ächzt (wenn auch mit wohligem Grunzen).

"Es wird im Hangar 7 nur ein Menü von mir geben. Das aber mit zwölf Gängen. Basta!" zitiert das Magazin zur Salzburger Luftmenagerie den Maestro aus Modena. Das Bottura Menü (wo bleibt der Bindestrich, bitte?) hat dennoch nur neun Gänge, die kursiv einleitende Erinnerung eingerechnet zehn. 125 Euro dafür. Und für einen gelungenen Abend mit Weinbegleitung sollte man gut 200 Euro pro Kopf kalkulieren, weiß Herr Hilberg von Botturas Vorgängerin im Hangar, Margot Janse, zu berichten, aber dazu später.

Wir wollen mit den Gängen nicht kleinlich sein, schließlich fehlen uns auf die dafür nötigen zweieinhalb Stunden ohnehin mindestens 60 Minuten Spielraum. Hilberg plädiert für drei Gänge, zeitlich angemessen, aber halt strategisch gewagt.

Keine Leber ist sinnlos

Bei drei Gängen kommt nämlich, schon um die durchaus stolzen Preise von 19 bis 31 Euro pro Gang zu rechtfertigen, so manches in doppelter oder dreifacher Ausführung. Das ist bei Bottura/Trettl keineswegs ein Fehler, stellt aber selbst piemontgewohnte Kapazitäten zwischendurch vor interessante Herausforderungen. Meine zumindest.

Herr Hilberg offenkundig weniger: Der Mann hat am Vorabend in der Riedenburg schon zwei von drei Gängen mit Gänseleber bestritten, meine Kostgabel vor allem bei der gebratenen sehr fein, aber doch eine Vorlage an Gewissen und Cholesterinhaushalt.

Ich und mein Magnum

Hilberg aber, offenkundig in Fahrt, bestellt als Punkt 1 "Magnum von der Gänsestopfleber mit Balsamico, Mandorle die Noto und Haselnüssen". Bottura/Trettl bekommen die angeblich so sündige Eisvariation verblüffend sündig hin - über die 1129 Kilojoule pro Stück des schokoladigen Originals können wir hier nur milde lächeln.

Was soll ich sagen: Die üppige Gänseleberterrine am Stiel und im Haselnussmantel ist Magnum zur Potenz. Wie war das mit der beginnenden Eissaison? Eskimo, übernehmen Sie! Auf der Rückfahrt nach Wien sucht Hilberg jedenfalls ebenso verzweifelt wie vergeblich ein Foie-Gras-Magnum im Tiefkühler der Autobahnraststätten.

Ich vergnüge mich derweil mit "5 Reifegraden, Texturen und Temperaturen vom Parmigiano Reggiano". Auch nicht gerade ultralight, auch wenn ganz oben auf der Suppe mit den Nockerln, dem Schaum und dem Cracker noch eine "Luft" vom Parmesan schwebt. Herr Hilberg erspart mir den sich hier anbietenden Scherz glücklicherweise und drängt mir lieber in völliger Selbstverleugnung sein drittes Magnum auf.

Sehr super, aber ich weiß, Gänseleber, und außerdem: Nach dem Parmesan nicht gerade ein Beitrag zu einem arbeitsamen Nachmittag. Dass ich wegen ernster Programmpunkte auch die Weinbegleitung auslasse, erleichtert die Verdauung nicht gerade, ob das nun medizinisch korrekt oder nur ein Gefühl ist.

Hilbergs vierte Leber

Da trifft sich ausgezeichnet, dass die "Kompression von Pasta e Fagioli" a) a la carte im Doppelpack kommt und b) als dicke Basis im Glas eine "Creme Royal" mit Gänseleber hat. Darauf eine viel dezentere Schicht Radicchio, Bohnenpaste, die die Fagioli rechtfertigen, und darauf noch ein Lüftchen vom Rosmarin. Mir ist der die das Air (Hilberg schweigt auch hier dankenswerterweise und widmet sich lieber seiner vierten Gänseleber binnen 14 Stunden) zunächst zu intensiv, in Kombination mit den anderen Schichten aber eine runde Angelegenheit.

Bei unseren Hauptspeisen wird Bottura geradezu konventionell: Warum der Kürbisrisotto mit roten Garnelen in der Karte beginnt als "Vom Tortello Mantovano zum Kürbisrisotto mit..." behirne ich Dilettant einfach nicht, egal, Hauptsache schmeckt.

Wow, Backe!

Meine geschmorten Rinderbacken sehr, sehr gut, das Kartoffel-Olivenpüree herausragend. Nur das "Fragolino-Traubenpulver", das laut Bedienungsanleitung des ungemein kompetenten wie umsichtigen Personals einen kühlen Effekt zum Rind liefern soll. Das Zeug erinnert mich Banausen eher an diese Traubenzuckerstäbchen, die wir vor hundert Jahren in zweierlei Brausepulver getunkt und abgeleckt haben. Wie hieß das Zeug doch gleich?

Sie werden vermutlich verstehen, dass wir die "Kartoffelravioli mit hawaiianischem Kona-Kaffee Spray" (Bindestrich?) weiter unten im Menü ebenso ausließen wie Botturas Creme Brulee vom Parmigiano Reggiano. Die Zeit hätten wir schon noch gehabt, doch an der Kapazität gebrach es selbst Konstantin Stopfer Hilberg.

Zudem hatte der gute Mann ohnehin bei Botturas Hangar-Vorgängerin Margot Janse (Le Quartier Francais in Franschhoek im südlichen Südafrika) Tage zuvor eine Creme Brulee vom Pont L'Eveque verputzt. Aber das erzählt er Ihnen am besten selbst. Von mir nur noch eine kleine Erinnerung an den Beginn unseres Hangar-Ausflugs: Pancettaschaum mit Brioche grüßte aus der Küche, mit Pistazienbröseln und - hm - war das womöglich eine Erinnerung an Mortadella? Während ich mich meinem Alzheimer widme - Hilberg, übernehmen Sie!

Hangar! Afrika!

Das Ikarus im Hangar-7: kuratiert von Eckart Witzigmann, exekutiert von Roland Trettl, es klingt wie der Versuch, die große weite Welt ins kleine Salzburg zu bringen. Um es vorweg zu nehmen: Margot Janse löst dieses Versprechen ein. Was im März auf die Tische des Ikarus kam, war in Sachen Weltläufigkeit und Qualität von ausgesuchter Güte.

Janses Umgang mit den Zutaten ist spielerisch, und wo immer es Sinn ergibt, versteht sie es, Akzente ihrer Wahlheimat unterzubringen. Etwa Biltong, das südafrikanische Trockenfleisch, das sie mit einer Ballontine vom Springbock kombiniert, dazu gibt es Buchu-Gnocchi (Buchu ist ein südafrikanischer Strauch, habe ich mittlerweile ergoogelt).

Entenleber in Fruchtsaft

Der Springbock erinnert an Reh und ist ungemein zart. Zu den Highlights des Abends gehört allerdings eine Kartoffel-Pilzlasagne, die mit üppigen Schichten sautierter Steinpilze ausgestattet ist. Wo Letztere im März hergekommen sind? Wohl eingeflogen, was im Hangar ja buchstäblich naheliegend wäre.

Auf den ersten Blick ebenso gewagt wie beim ersten Biss überzeugend: In Fruchtsaft gekochte Entenleber, sehr fein, und das hat nichts mit meinem Leber-Fetischismus zu tun (wer jetzt an Portnoy’s Complaint von Philip Roth denken muss, ist selbst schuld).

Die Crepinette (weltläufig für: Wurst) von der Wachtelbrust ebenfalls sehr gut, aber da machte sich dann wohl, ebenso wie beim Rücken vom iberischen Schwein, erste Ermattung breit. Endgültig international: das Dessert, nein, der Käsegang - quasi Beides in Einem. Die Crème Brûlée vom Pont-l'Évêque täuscht optisch und in Sachen Konsistenz: Und ein letztes Mal an diesem Abend lohnt der Mut, denn die Karamellkruste und der markante Käse passen tatsächlich hervorragend zusammen.

Janse-Stadt Franschhoek

Was schade ist: Wer sich Margot Janses Künsten hingeben will, muss wohl bis auf Weiteres den Weg nach Südafrika auf sich nehmen. Im "Le Quartier Francais" in Franschhoek, nur ein paar Kilometer östlich von Stellenbosch, kocht sie auf. Sollte es jemanden ans Kap verschlagen, sei ihm ein Besuch bei Frau Janse dringend ans Herz gelegt.