Anfänglich dominierten die Farben Grün und Schwarz, heute bestehen keine Einschränkungen bei den Tönen.

Foto: Ursula Schersch
"Rote Lippen soll man küssen ...", sang Cliff Richard in den 60er-Jahren. Mit einem roten Mund wird seit ewigen Zeiten Sinnlichkeit, Erotik und Weiblichkeit assoziiert. Denn obwohl der Lippenstift im Mai seinen 125. Geburtstag feiert, bemalten bereits in der Antike Frauen ihre Lippen. Die ältesten lippenstiftähnlichen Salben wurden bei Ausgrabungen im heutigen Irak entdeckt und stammen angeblich aus dem Jahr 3500 v.u.Z.

Das Rezept war damals wie 1883 dasselbe: Hirschtalg und Bienenwachs mit Farbe vermischt. Diese Paste war allerdings wenigen hochgestellten Personen vorbehalten und wurde in kleinen Dosen aufbewahrt und mit Fingern oder Pinseln aufgetragen.

Anrüchiges Phallussymbol

Was da bei der Weltausstellung in Amsterdam vor 125 Jahren von Pariser Parfumeuren als Weltneuheit präsentiert worden ist, war also bis auf einen kleinen Unterschied gar keine: Ein würstchenähnliches Stück weicher Farbe, nur mit Seidenpapier umwickelt, namens "Stylo d'amour". Aufgrund seines Aussehens hatte er sich bald den Vulgär-Ausdruck "saucisse" eingehandelt. Ursprünglich und als anstößiges Phallussymbol eingestuft, nur von Prostituierten und Tänzerinnen verwendet, dauerte es lange, bis er sich in bürgerlichen Kreisen durchsetzen konnte.

Zwei große Nachteile waren jedoch dem Lippenstift im 19. Jahrhundert zu eigen: Zum einen erhielt die eine zeitlang in Mode gewesene Farbe Vitriolgrün hochgiftiges Grünspanpulver, das zum Tode führen konnte - nach einiger Zeit wurde es verboten - und zum anderen sorgte der in Seidenpapier geschlagene Stift bei Wärme für ungewollte Schmierereien in Handtaschen.

Seinen Durchbruch erlangte der Lippenstift erst mit der Verbreitung des Filmes - die Darstellerinnen mit ihren stark geschminkten Lippen wurden zu neuen Vorbildern - und mit dem um 1948 in den USA entwickelten Drehstift in einer festen Metallhülle anstelle des Seidenpapiers. Dadurch wurde der Lippenstift auch wesentlich billiger.

VampirInnengleich: Der "Bienenstich-Mund"

In den ersten Stummfilmen blicken sie uns makaber entgegen: Darstellerinnen mit schwarzen "Bienenstich-Mündern". Von da an galten schwarz geschminkte Lippen als mondän. Das einzige Problem dabei war, dass der Lippenstift nicht besonders lange haftete und vor allem nach dem Küssen nichts mehr von ihm übrig blieb. Erst ein 1928 in Frankreich auf den Markt gebrachter Lippenstift sollte Abhilfe schaffen. Sein Rot wurde aus Steinkohle und Teer gewonnen und versprach, kussecht zu sein. Erst später stellte man fest, dass diese Inhaltsstoffe nicht besonders gesund waren und verbot ihn wieder.

Farbenvielfalt ab den 30er-Jahren

In den 1930er Jahren konnte man vor allem in den USA mit Kosmetik viel Geld verdienen. Deshalb entwickelten zahlreiche Firmen immer neue Lippenstift-Farben, die rasenden Absatz fanden. Neben Rot und Schwarz gab es z. B. "Shiap", ein helles Pink und "Shockinig", einen knalligen Fuchsiaton. Der Lippenstift wurde unentbehrliches Beauty-Accessoire und durfte in keiner Damenhandtasche fehlen. Selbst in den Kriegsjahren, in denen man Eisen lieber für Patronenhülsen statt für Lippenstifthüllen verwendet hätte, wurde die Produktion fortgeführt. Lieblingsfarbe war zu dieser Zeit ein dunkles, sinnliches Lila.

Wenn sie auch nicht direkt tödlich sind, so enthalten einige der Produkte doch immer noch bedenkliche Stoffe. Da Frauen, die regelmäßig Farbe auf die Lippen auftragen, im Laufe ihres Lebens einen ganzen Lippenstift verschlucken, sollte auf die Inhaltsstoffe geachtet werden. Neben Wachs und Öl werden darin teilweise gesundheitlich bedenkliche Farbpigmente und andere Zusatzstoffe verarbeitet. Oft enthalten die Stifte auch mehr als zehn Prozent Paraffine. Das Erdölprodukt kann sich in Leber, Nieren und Lymphknoten anreichern und entzündliche Reaktionen der Herzklappe hervorrufen. (red)