Ein Foto des Oncle Vigneron aus dem Jahr 1943.

Mon oncle le vigneron
2 rue Pradier/71 rue de Rébéval
75019 Paris
0033 1 42 00 43 30
(Reservierung notwendig!)

Château de Mesnac
Place de l'Eglise
16370 Mesnac
0033 545 832 661
www.dduveron.fr

Foto: Ubu Roi

Chika und Pascal betreiben im selben Lokal heute die Wein- und Feinkosthandlung "Mon oncle le vigneron".

Foto: Ubu Roi

Der Hauptgang: "déclinaison de canard"

Foto: Ubu Roi

Das Dessert: Cognac-Mousse auf einer Sauce aus schwarzen Johannisbeeren

Foto: Ubu Roi

"Gegessen wird, was auf den Tisch kommt." Diesen Satz gab es hier im Leichtsinn in letzter Zeit öfters zu lesen, und zugegebenermaßen klingt er nicht immer vertrauenerweckend, womöglich kitzelt er auch das eine oder andere Kindheitstrauma wieder wach. Trotzdem erklärt er ziemlich treffend das Prinzip der table d'hôte, einer gleichermaßen günstigen wie im Regelfall sympathischen Methode, in Frankreich essend Land und Leute kennen zu lernen.

 

Einen solchen "Gästetisch" mit fixem Menü bieten vor allem private Zimmervermieter an, aber auch Weinhandlungen, in denen man Wein nicht nur kaufen, sondern gegen Stoppelgeld auch gleich vor Ort trinken kann. Gemeinsam ist beiden Varianten der table d'hôte der familiäre Rahmen und oft ein sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis. Hier zwei Erfahrungsberichte, einmal Paris, einmal Provinz.

Mein Onkel, der Winzer,...

Ein besonders netter Pariser "Gästetisch" steht in der ehemaligen Arbeitervorstadt Belleville, in Pascal Fleischmanns Wein- und Feinkosthandlung "Mon oncle le vigneron" ("Mein Onkel, der Winzer"). Pascals Vater ist Deutscher, die Mutter Französin, aufgewachsen ist er im Baskenland, seine Frau Chika ist Japanerin.

Das Lokal ist eine ähnlich unorthodox-sympathische Mischung wie seine Inhaber: Die Tische mit ihren Altmetall-Beinen sind Eigenbau-Kreationen, die altdeutsche Kredenz ein Familienerbstück, an der Wand hängt die Stechuhr einer Kabelfabrik. Abwechslungsreich ist auch der Inhalt der Wandregale: Weine aus Frankreich und der Pfalz (den Winzer-Onkel gibt’s tatsächlich), Bio-Bier und Cidre aus der Normandie, diverse Meersalze sowie Einmachgläser mit essbaren Kindheitserinnerungen aus dem französischen Südwesten. Ab ca. fünf Euro kann man hier sehr ordentliche Weine aus Cahors oder dem Anjou kaufen, 750 g Cassoulet im Glas kosten 8,60 Euro.

Bereits zu Mittag decken Chika und Pascal die drei Tische mitten im Verkaufsraum und servieren einfache Gerichte wie mit Käse gefüllte Nudeln aus dem Jura oder baskische Blutwurst. Hat man Glück, kocht Chika japanisch. Nachmittags stellt Pascal in der offenen Küche den Schmortopf auf den Herd, was hineinkommt, bestimmt das Marktangebot.

...serviert Schweinereien

Beim für diesen Artikel "absolvierten" Essen gab es: Ziegenfrischkäse mit eingelegten roten Paprikawürfeln zur Vorspeise, darüber eine Prise Kreuzkümmel, Piment d'Espelette (getrocknete und geriebene baskische Pfefferoni) und Olivenöl aus Kreta – so einfach wie überzeugend. Dazu kommt eine große Salatschüssel auf den Tisch. Den Teller mit "Cochonnailles" (Schweinereien) haben wir ausgelassen, wobei die baskische Andouille Innereien-Liebhabern durchaus ans Herz zu legen ist.

Das in Weißwein, Senf, Zwiebeln und Estragon geschmorte Landhuhn als Hauptgericht war hervorragend, das relativ dunkle Fleisch wunderbar mürb, der Rote aus den Corbières – eine von Pascal und Chika kreierte Cuvée – so rund, dicht und schwer wie wir danach auch.

Mein Schaf, ein Baske

Wer nach dem Schafkäse mit schwarzer Kirschenmarmelade, der als Zwischengang gereicht wird, noch nicht genug vom baskischen Schaf hat, kann zum Abschluss noch ein Schafmilchjoghurt mit Honig von ebendort bestellen. Verlockender war aber die Kastaniencreme mit einer herrlich üppigen Crème fraîche, in der der Löffel fast abbricht. Die Rechnung: Für zwei Flaschen Wein und je drei Gänge zahlten vier Personen 114 Euro.

Herberge im Chateau

Steht die table d'hôte nicht in einer Weinhandlung, sondern in einer "Ferme auberge" irgendwo in der französischen Provinz, ist das im Regelfall ein gutes Zeichen: Solche "Bauernhof-Herbergen" dürfen nämlich nur selbst hergestellte Produkte verkochen. In die Kategorie "Bauernhof" kann die einfache Hütte in den Vogesen genauso fallen wie eine Hippie-Schafzuchtkommune in den Pyrenäen, oder auch das prächtige Weingut "Chateau de Mesnac" unweit von Cognac, dessen table d'hôte uns dringend empfohlen wurde. Zurecht.

Empfang und Service sind herzlich und unkompliziert, der Gästetisch (man gewöhnt sich an das Wort) steht in einem kleinen Speisesaal mit offenem Kamin, an den Wänden hängen Familienfotos. Zum Apéritif gibt es selbstgemachten Pineau des Charentes, eine lokale Spezialität aus Traubenmaische und Cognac, die mindestens ein Jahr im Fass gelagert wird. Das Getränk ist gefährlich gut (von den 20 Prozent Alkohol ist nichts zu spüren). Sehr in Ordnung sind auch die Lauch-Ziegenkäse-Blätterteigtaschen dazu. Die Schweinefleisch-Terrine zur Vorspeise war ausgezeichnet und hübsch in einen Karottenmantel verpackt.

Deklinierte Ente

Der Hauptgang klingt nach einem Grammatiktest: "déclinaison de canard". Die richtige Lösung: eine eingegossene, knusprig gegrillte Entenkeule, gebratene Entenbruststreifen, innen noch schön dunkelrot, sowie ein Ragout aus Souchette-Pilzen ("Waldfreundrüblinge", sagt Wikipedia) und noch mehr Entenfleisch. Dazu gibt es Bandnudeln. Wirklich sehr gut und von der Menge her kaum zu bewältigen.

Der Käsegang ist im Vergleich etwas schwächer: Ein ziemlich junger Camembert und ein nicht sehr aufregender Ziegenkäse. Herausragend war dafür wieder das Dessert: Cognac-Mousse auf einer Sauce aus schwarzen Johannisbeeren, die gleichfalls mit einem kräftigen Schuss Cognac aromatisiert wurde.

Der Digestif führt einmal mehr den Unterschied zwischen table d'hôte und Restaurant vor Augen: Gleichzeitig mit dem Kaffee kommt eine Flasche Cognac X.O. aus Eigenproduktion auf den Tisch, 25 Jahre Jahre im Fass gereift – mit der freundlichen Aufforderung, sich selbst zu bedienen. Macht man gern. 30 Euro pro Person kostet das Menü, Wein inklusive.