Das altehrwürdige Schottengymnasium hat seine Pforten seit 2004 auch für Mädchen geöffnet.

Foto: derstandard.at/Eder

Pause im Schottengymnasium. Mittlerweile gehen 101 Mädchen in diese Schule. Das Zusammenleben und Lernen in den gemischten Klassen funktioniert einwandfrei.

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Die Diskussion um die ideale Unterrichtsweise für Buben und Mädchen hat durch das schlechte Abschneiden von Maturantinnen bei den Medizin-Aufnahme-Tests einen neuen Höhepunkt erreicht. Politiker und Bildungsexperten erwägen teilweise die Wiedereinführung von geschlechtergetrenntem Unterricht, um Mädchen und Buben besser fördern zu können. Ein Rückschritt oder Fortschritt?

Das gemeinsame Unterrichten von Buben und Mädchen - die Koedukation - wurde in Österreich 1975 gesetzlich verankert, seither gibt es nur mehr vereinzelt Privatschulen die geschlechtergetrennt unterrichten. Das Wiener Schottengymnasium hat sich als eine der letzten Schulen nach 197 Jahren dazu entschlossen, Mädchen zum Unterricht zuzulassen. Seit vier Jahren sitzen auch Schülerinnen in den Klassenzimmern. Eine derStandard.at-Reportage über die neuen Gegebenheiten in einer österreichischen "Eliteschule".

Druck der Eltern

Vom einstigen Flair einer reinen Bubenschule merkt man heute nicht mehr viel. Sowohl Mädchen als auch Buben toben lautstark während der Pause durch den Hof. Die Schülerinnen fühlen sich hier wohl. "Wir vertragen uns sehr gut innerhalb der Klasse", sagt eine Drittklässlerin. Ganze acht Jahre hat es gedauert, bis der Konvent des Benediktinerstift als Träger der katholischen Privatschule nach langen Diskussionen beschloss, auch Mädchen aufzunehmen. Der Druck der Eltern war mit ein Grund dafür. "Viele Eltern, die ihre Kinder in unsere Schule schicken wollten, haben gesagt: Wir geben unseren Buben nur dann in diese Schule, wenn ihr auch unser Mädchen nehmt", erklärt Direktor Johannes Jung im Gespräch mit derStandard.at. Unterschiedliche Ferienregelungen, die für Eltern mit mehreren Kindern an verschiedenen Schulen zu Terminproblemen geführt haben, haben diesen Wunsch noch verstärkt.

Andere Unterrichtsweise

Auf die Umstellung hat sich die Schule vorbereiten müssen. Sanitäreinrichtungen und entsprechende Turnmöglichkeiten wurden geschaffen, das Personal um einige Lehrerinnnen aufgestockt. Doch auch der Unterricht und der Umgang miteinander mussten ein Stück weit neu gelernt und umgestaltet werden. "Aus meiner Erfahrung bisher kann ich sagen, dass Mädchen hier im Unterricht zurückhaltender sind. Man muss sie rausholen aus ihrer Ruhe und sie aktiv zu Mitarbeit auffordern", berichtet Direktor Jung über seine Unterrichtsmethode. "Mit einem Burschen kann man oder muss man, egal in welchem Alter er ist, manchmal auch raubeinig umgehen. Das hält er aus. Bei Mädchen muss man viel vorsichtiger sein, was Ermahnungen betrifft."

Josef Harold, einer der ersten Klassenvorstände von gemischten Klassen, versucht im Unterricht den gängigen Klischees über die Begabungen von Mädchen und Jungen entgegenzuwirken: "Ich halte die Buben an, die Hausübung mindestens so schön zu machen wie die Mädchen. Andererseits mache ich den Mädchen klar, dass sie sich von den Buben im Unterricht nicht die Show stehlen lassen sollen."

Mädchen beruhigen Schulalltag

Seit Mädchen in den Klassenzimmern sitzen, hat sich das Klima deutlich geändert. Josef Harold hat so seine Erfahrungswerte: "Die Buben sind zwar nicht braver geworden. Aber eines ist sicher: Die Mädchen sind eine ausgleichende Kraft. Sie beruhigen den Schulalltag." Direktor Jung bestätigt die Veränderung: "Es gibt nach wie vor Rangeleien unter den Burschen, aber mittlerweile genieren sie sich dafür." Schülerinnen nehmen in der Unterstufe des Schottengymnasiums ein Drittel der Klassenschülerzahl ein, Tendenz steigend. In vier Jahren werden die ersten von ihnen maturieren.

Die Integration der Mädchen in die bestehenden Schulstrukturen war kein Problem. "Gott sei Dank sind alle Mädchen, die hier an die Schule kommen, schon sehr selbstbewusst. Sie wissen ihre Interessen schon durchzusetzen. Sonst wäre die Umstellung vielleicht problematischer gewesen", glaubt Mathematik-Professor Josef Harold. Eine Bevorzugung der Buben, die ja bis 2004 das Sagen in der Schule hatten, spüren die Schülerinnen nicht. Ein Schotten-Schüler ist eher gegenteiliger Ansicht: "Ich glaube, dass die Mädchen bevorzugt werden." Nichtsdestotrotz sind die männlichen Schüler froh, dass sie in eine gemischte Klasse gehen, denn "es gibt Dinge, über die kann man mit Mädchen besser reden".

Richtiger Schritt

Direktor Jung sieht die Schulöffnung für Mädchen als richtigen Schritt: "Das Schulumfeld entspricht jetzt viel mehr der Lebenswirklichkeit der Menschen. Dass Mädchen Zugang haben, reduziert auch etwas die männerbündlerische Dominanz. Die Begegnung mit Mädchen beschränkt sich nicht mehr nur auf das Freizeitumfeld, sondern betrifft auch das Arbeitsumfeld." Sein Lehrer-Kollege Josef Harold stimmt zu: "Es ist eine erfreuliche Bereicherung und Normalisierung der Lebenswelt." Dieser Meinung sind auch die Schüler selbst. Niemand von ihnen wünscht sich die geschlechtergetrennte Bubenklassen zurück. Warum? "Na, weil es so viel lustiger ist", sagt ein Schotten-Schüler aus der dritten Klasse. (Teresa Eder, derStandard.at, 12.Juni 2008)