Der in Kroatien wegen Nazi- Kriegsverbrechen gesuchte Milivoj Ašner lebt seit Jahren unbehelligt in Klagenfurt. Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider will, dass das so bleibt und findet Ašners Familie "sehr nett".

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Klagenfurt - Ein hohlwangiger alter Mann spaziert während der EURO 08 in der Klagenfurter Fanmeile am Arm seiner Frau. Er trinkt gemütlich Kaffee und feiert mit seinen Landsleuten, den Kroaten. Bei dem betagten EURO-Fan handelt es sich um den mutmaßlichen kroatischen Nazi-Kriegsverbrecher Milivoj Ašner, der seit 2006 wieder in der Klagenfurter Innenstadt lebt. Das britische Boulevardblatt Sun hatte ihn entdeckt und berichtet, Ašner habe einen rüstigen und wachen Eindruck gemacht.

Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider sieht keinen Grund, dass der 95-jährige Asner ausgeliefert wird: "Er soll seinen Lebensabend bei uns verbringen dürfen. Er ist seit Jahren ein Klagenfurter Bürger, der friedlich bei uns lebt. Das ist eine nette Familie. Wir schätzen diese Familie sehr", sagte er zum STANDARD.

"Schwer dement"

Für die österreichische Justiz, für die der heute 95-Jährige als "schwer dement" und vernehmungs- und prozessunfähig gilt, kann Ašner daher nicht an Kroatien ausgeliefert werden, das ihm den Prozess machen möchte. Ašner, der als Chef der kroatischen Ustascha-Polizei in Pozega für die Deportation Tausender Juden, Roma und Serben in Konzentrationslager verantwortlich sein soll, steht seit langem auf der Liste der meistgesuchten NS-Verbrecher des Simon Wiesenthal-Centers, das nach dem Sun-Bericht nun von Österreich die Auslieferung Ašners an Kroatien verlangt.

"Es gibt keine Rechtfertigung mehr, dass Österreich die Auslieferung weiter verweigert", schrieb jetzt Efraim Zuroff, Leiter des Wiesenthal-Centers an Justizministerin Maria Berger. Umso mehr,als Ašner selbst in der Sun angibt, zu einer Aussage vor Gericht bereit zu sein. Der Sprecher von Justizministerin Berger bedauert. "Das Landesgericht Klagenfurt ist am Zug. Uns sind die Hände gebunden."

Verfassungsschutz

In Klagenfurt verweist man auf die Staatsanwaltschaft, die neuerlich aktiv werden müsste. Die hat vorerst das Amt für Verfassungsschutz mit einem Bericht über Ašners derzeitige Situation beauftragt. Es gebe regelmäßig Gutachten der Sachverständigen Reinhard Haller und Peter Hofmann über Ašners "Demenz-Entwicklung", sagt Gerichtssprecher Manfred Herrenhofer zum STANDARD: "Wir leben in einem Rechtsstaat und wir verlassen uns auf unsere Gutachter." Man hätte Ašner schon vor 20 Jahren den Prozess machen müssen: "Damals war er noch gesund."

Erst vor einem Monat habe der Klagenfurter Gutachter Max Neumann das dementielle Zustandsbild Ašners bestätigt. Der schlagende Burschenschafter Neumann ist allerdings bei Kennern eines "rechten Netzwerkes" in Kärnten kein Unbekannter. Den Historiker Oliver Rathkolb erinnert der "Fall Ašner" stark an den "Fall Gross". Hier wie dort seien Gutachter maßgeblich beteiligt gewesen, dass es nicht zur Strafverfolgung mutmaßlicher Kriegsverbrecher gekommen sei: "Auch Richtern kommt eine entscheidende Verantwortung zu."

Die Ustascha kamen nach dem Angriff Nazi-Deutschlands auf Jugoslawien im April 1941 in Kroatien an die Macht. In dem Vasallen-Staat Deutschland richteten sich Rassengesetze gegen Juden, Roma und Serben. Sie wurden in Konzentrationslager wie Jasenovac deportiert. Zehntausende wurden ermordet. Nach den Recherchen des Amateurhistorikers Alen Budaj aus Pozega hat Asner 1941 angeblich einen aus Bosnien-Herzegowina kommenden Transport mit 600 Serben der Ustascha übergeben. (Elisabeth Steiner/Adelheid Wölfl/DER STANDARD, Printausgabe, 18.6.2008)