Hans Baumgartner

Foto: Georg Desrues
"In dem Bunker hab ich als Bub schon gespielt", sagt Hansi Baumgartner, "jetzt spiel ich mich da drin mit Käse." Den Bunker haben Mussolinis Faschisten in den 1920ern mitten im Wald errichtet, um für eine eventuelle Rückeroberung Südtirols durch Österreich gerüstet zu sein. Er steht unweit von Mühlbach im Südtiroler Pustertal. Genutzt wurde er nie, bis Hansi ihn vor drei Jahren erwarb, adaptierte und in den feuchten Gängen aus Stahlbeton seither Käse reifen lässt. Hansi, wie er als Tiroler genannt werden will, empfindet Leidenschaft für Käse. Die fühlte er allerdings schon lange vor dem Erwerb des Bunkers, seit seiner Zeit als Wirt und Sternekoch. Damals entdeckte er seine Freude, auf Almen Käse aufzuspüren, auszuwählen und so zu behandeln und reifen zu lassen, wie er das für richtig hält. Vor sechs Jahren beschloss er dann, sich von nun an ausschließlich der Reifung von Käse zu widmen. Das Restaurant im Ort gab er auf, reiste ins Piemont, zu zwei der größten Käse-Affineure Italiens: Beppino Occelli in Alba und Franco Parola in Saluzzo. "Ich dachte mir, das müsse in Südtirol, bei der Milchqualität, die wir hier haben, eigentlich auch funktionieren." Wenig Gefühl für den Käse Allerdings lag die Käsekultur in Südtirol ziemlich darnieder. "Erschreckend, wie wenig Gefühl die Bauern für ihren Käse hatten", erzählt er. "Sie haben ihn einfach gemacht; wenn sie ihn verkaufen konnten: gut. Wenn nicht, wurde er oft weggeschmissen. Auf gut Deutsch: ein ,disastro'!" Der Affineur erlaubt es den Bauern, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Nach Baumgartners Auffassung ist das die Aufzucht der Kühe, deren richtige Fütterung und die daraus resultierende Qualität der Milch. Baumgartner kümmert sich um die Reifung und Veredelung sowie den Vertrieb der Käse. Heute gibt es wieder 40 Kleinkäsereien in der Provinz Bozen, was auch Hansis Verdienst ist. Doch nicht nur Einheimisches verkauft er im "De Gust", seinem Geschäftslokal in Vahrn, oberhalb von Brixen. "Wir affinieren auch österreichische Käse, etwa steirischen Fasslkas, von Deutschmann in Deutschlandsberg", sagt der Deutsch sprechende Italiener, "oder hochklassigen Bergkäse aus dem Bregenzerwald." Selbst industriellen Österkron findet man in Vahrn. Allerdings in einer Edel-version, eingerieben mit Süßwein und Trester. Überhaupt sind Kreationen seine Spezialität. Neben Almmilchkäsen - oft hergestellt aus der Milch von selten gewordenen Tierrassen - wie Tiroler Grauvieh oder Pinzgauer Rind - findet man auch Überraschungen. Unglaublich würzigen Käse aus Schleswig-Holstein etwa, den er in Algen wickelt. "Die Kühe grasen am Meer, dadurch bekommt die Milch diesen Pré-salé-Charakter, und zu dem, dachte ich, würden Algen gut passen", erklärt der "Cheese-Artist". (Georg Desrues/Der Standard/rondo/20/06/2008)