GPA/DJP-Vorsitzender Wolfgang Katzian wünscht sich in der SPÖ Personen mit Charisma, die klarmachen, wofür seine Partei steht - kurzfristig sowieso, aber auch in der langfristigen Programmarbeit.

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Der sozialdemokratische Gewerkschafter Wolfgang Katzian fordert im Gespräch mit Peter Mayr und Conrad Seidl, dass die SPÖ ein schärferes linkes Profil entwickelt - Werner Faymann traut er das zu.

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STANDARD: Was hat Werner Faymann bisher für die Arbeitnehmer geleistet?

Katzian: Ich kenne ihn lange und hatte immer das Gefühl, dass bei ihm die Anliegen der Arbeitnehmer gut aufgehoben sind.

STANDARD: Wofür steht der neue SPÖ-Parteivorsitzende?

Katzian: Er steht für eine moderne Sozialdemokratie, die versucht, die Probleme von heute zu lösen, die aber auch bereit ist, Zukunftsentwürfe zu entwickeln. Und das ist etwas, was die SPÖ dringend braucht.

STANDARD: Wo muss sich die SPÖ ändern?

Katzian: Das eine ist, dass das Profil wieder ein scharfes sein muss. Es muss klar werden, wofür die Sozialdemokratie steht. Und das andere ist: Wo wollen wir hin? Da ist Faymann schon einer, dem ich da etwas zutraue.

STANDARD: Aber als großer Ideologe ist er noch nicht in Erscheinung getreten.

Katzian: Ich würde nicht sagen, dass der Werner Faymann kein Ideologe ist - ganz im Gegenteil: Er weiß sehr genau, wofür die Sozialdemokratie steht.

STANDARD: Finden Sie die Trennung Kanzler/SP-Parteichef gut?

Katzian: Ich bin kein Freund davon. Jetzt haben wir sie und ich werde ihr eine Chance geben und Faymann unterstützen, wenn er die Interessen der Arbeitnehmer in den Mittelpunkt seiner Arbeit stellt.

STANDARD: Bundeskanzler Alfred Gusenbauer soll aber bei der nächsten Wahl wieder SPÖ-Spitzenkandidat sein?

Katzian: Ich bin kein Statutenreiter, aber bei uns beschließt das üblicherweise der Parteirat - und der wird vor der Wahl tagen. Alles andere wäre Spekulation.

STANDARD: Das ist ja, wenn man so will, nicht die erste "Trennung". Bei der Bawag-Krise hat sich die SPÖ auch von den Spitzengewerkschaftern im Parlament getrennt.

Katzian: Ich glaube, ich habe meine Rolle als Gewerkschaftsvorsitzender auch ohne ein parlamentarisches Mandat gut spielen können. Aber vom Prinzip her glaube ich schon, dass es Sinn macht, wenn auch Spitzengewerkschafter im Parlament tätig sind. Es muss möglich sein, auch in der Politik zu versuchen, Arbeitnehmerinhalte umzusetzen und nicht nur von außen zu kommentieren.

STANDARD: Sie sind stellvertretender FSG-Chef. Sie könnten das ja von Faymann einfordern?

Katzian: Diese Frage hat keine Priorität. Das wird dann zur Diskussion stehen, wenn das nächste Mal wieder entsprechende Wahlvorbereitungen laufen.

STANDARD: Das könnte bald sein.

Katzian: Stimmt, wenn ich die Botschaften richtig verstanden habe, hat die ÖVP nicht dementiert, dass es Neuwahlen geben könnte, wenn die Pensionsautomatik nicht so kommt, wie sie es will. Und ich gehe davon aus, dass das nicht der Fall sein wird. Daher steht das im Raum. Die SPÖ und wir alle sind gut beraten, uns auf so ein Szenario vorzubereiten.

STANDARD: Bleiben wir gleich beim Thema Pensionsreform: Was ist das Problem an der Automatik?

Katzian: Pensionen sind nicht nur eine Angelegenheit der Mathematik. Es geht auch um eine sozialen Haltung. Daher kann nicht die Mathematik entscheiden, welche Maßnahmen gesetzt werden. Ich habe nichts dagegen, wenn man eine Automatik in folgender Form vereinbart: Wenn definierte Grenzen über- oder unterschritten werden, dann muss das eine Art Alarm auslösen. Dann sollte ein verbindlicher, auch zeitlich begrenzter, politischer Diskurs ausgelöst werden, indem im Nationalrat entschieden wird, an welchen Rad gedreht werden muss. Ich würde etwa nicht an dem Rad Erhöhung des Pensionsalters drehen, wenn ich eine steigende Arbeitslosigkeit habe. Mir geht es nicht darum, Lösungen zu hintertreiben oder zu sagen: Niemals darf länger gearbeitet werden. Sondern: Man muss die Diskussion seriös führen.

STANDARD: Vor 30 Jahren hat ihr Vorgänger Alfred Dallinger in diese Diskussion über die Finanzierung der Sozialsysteme eine Wertschöpfungsabgabe eingebracht. Täuscht der Eindruck, dass die Phantasie der SPÖ da schnell endet?

Katzian: Da haben Sie teilweise recht. Aber solche Zukunftsentwürfe stehen auch immer im engen Zusammenhang mit Personen. Es braucht Personen mit Charisma, denen die Menschen das abnehmen. Wir hätte eine ganze Reihe von Problemen nicht in dem Ausmaß, wenn wir eine Wertschöpfungsabgabe eingeführt hätten.

STANDARD: Sie hätten gerne, dass die SPÖ über eine Wertschöpfungsabgabe diskutiert?

Katzian: Das hätte ich sehr gerne.

STANDARD: Wer hat in der SP-Regierungsmannschaft das Charisma?

Katzian: Das wird sich zeigen. Ich traue dem Werner einiges zu. (DER STANDARD, Printausgabe, 20.6.2008)