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Mel Brooks' grotesk-witziges Musical "The Producers" im Wiener Ronacher: Produzent Max Bialystock (Cornelius Obonya) tanzt mit seinen etwas gebrechlichen Sponsorinnen.

Foto: APA/Trierenberg

Wien - Die Freude währte einst nur kurz. Dem Theater an der Wien hatte man die Oper zur sinnvollen Stagionebetreuung überantwortet; das Musical, vom Naschmarkt vertrieben, schien sich ins Raimundtheater zurückzuziehen - mit dem seit Jahren dahindösenden Ronacher hatte man nicht mehr wirklich gerechnet. Womit man jedoch ebenfalls nicht gerechnet hatte, war der offenbar unsterbliche Ehrgeiz des roten Wien, sich weiterhin als Neuheiten produzierende Musicalmetropole zu fühlen.

Es beschloss die Sanierung des alten Etablissements, wodurch das Musical-Theater an der Wien im Ronacher wie ein Phoenix aus der Subventionsasche wiederauferstand. Nun hat es zwar kein Dach, das sich öffnen lässt, aber viel "Geld hat man dennoch in die Hand genommen", wie Vizebürgermeisterin Renate Brauner ein wenig trotzig beim Präludium zur Producers-Premiere feststellte, bei der Grüne und FPÖ fehlten. Aus Protest über die 46,8 Millionen Euro teuere Funktionssanierung.

Doch immerhin: Eine Eigenproduktion hat man uns zum Einstand erspart, also womöglich seichten Songcontest-Bombast wie Rebecca. Stattdessen: Eine erprobte, am Broadway mit langem Leben gesegnete Reverenz an das klassische Musical, bei der man nicht wieder allen Anspruch beim Betreten eines Musicalhauses ablegen muss, um durchzuhalten.

Mel Brooks The Producers ist ein witziger Beweis, dass man der leichten Muse durch professionelles Handwerk eine gewisse Würde des Grotesken verleihen kann. Durch Überzeichnung und Zuspitzung werden Figurenstereotype zu Pointenquellen. Der exzessiv und intelligent zelebrierte Spaß an verulkender Vereinfachung gebiert comichafte Energiezentren, die in den Dienst der auch auf Deutsch (Texte: Michaela Ronzoni, Philipp Blom und David Bronner) funktionierenden Geschichte treten.

Das Stück ist eben toll gebaut: Wie Songs und Dialoge ineinander verschachtelt werden, wie sich Szenisches und Musikalisches zusammenfügt und Beschleunigung erzeugt - das hat eine Qualität, die sich in der Regie von Susan Stroman denn auch vollends entfaltet. Die Geschichte von Geldgier und Betrug - wozu halt Menschlein im Stande sind, so sie um jeden Preis Träume erfüllen wollen - treibt die herumblödelnden Figuren zu kurzweiliger Atemlosigkeit: Da ist Produzent Max Bialystock (von virtuoser Deftigkeit: Cornelius Obonya), der bei der Beschaffung von Geldern älteren Damen gerne schlüpfrige Dienste erweist. Da ist der schüchterne Steuerprüfer Leo Bloom (tadellos Andreas Bieber), der endlich etwas Broadway-Glanz in sein Rechnerleben bringen will. Da sind die blonde Schwedin (witzig: Bettina Mönch) mit dem lustigen Akzent, der schwule Regisseur (Martin Sommerlatte) mit Anhang (Rob Pelzer). Und da ist der dämliche Altnazi (angenehm plump Herbert Steinböck), der schließlich jenes Stück ersinnt, Springtime For Hitler, das ein Flop werden soll, jedoch leider reüssiert.

Sie alle sind glänzend verstrickt in ihre Sehnsüchte, für die sie alles tun würden; sie alle sind Puppen der grotesken Gags. Da sieht man den Produzenten begraben unter Verrissen, sieht den Nazi, wie er seinen Tauben den Hitlergruß abringt. Und sieht schließlich das Stück im Stück, Springtime For Hitler, wo Revuedamen Bierkrüge, Würste und Walkürenhelme als Kronen tragen und Hitler als lächerlicher Träumer, als schmusige Witzfigur daherkommt. Eine Schrumpfkur alles Heldischen, schön kläglich. Da hätte man Vertreter die Wiener FPÖ gerne im Publikum lachen - oder vielleicht auch nicht lachen - gesehen.

Eine gute Band

Zu alledem wird jedenfalls auch noch gut gesungen, die Musik bewegt sich zwischen jazzigem Altertum, Tango sowie ein bisschen Melancholie und ist ein sehr solider, gut mit der Szene korrespondierender Klangrahmen für die gnadenlose Verulkung von allem, was auf zwei Beinen daherkommt. Das Orchester unter Caspar Richter zeigt schließlich, dass es von Jazz etwas versteht. Das Stück sollte ziemlich lange laufen - damit nicht alles noch teurer wird. (Ljubisa Tosic/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2. 7. 2008)

---> Nachtkritik: Ein Käfig voll grotesker Pointen

 

 

Nachtkritik: Ein Käfig voll grotesker Pointen

Wien – Das Ronacher ist also nach der Funktionssanierung eröffnet, und, was es zu bieten hat, soll nun mindestens ein Jahr lang Publikum anlocken: Es ist dies ein im klassischen Musicalgewand daherkommendes bunt-groteskes Stück, das schon gezeigt hat, dass es am Broadway bestehen kann.

Mel Brooks "The Producers", dem gleichnamigen Film aus dem Jahre 1968 nachgebaut, war höchst erfolgreich, hat Preise abgeräumt und ist in der deutschen Übersetzung von Michaela Ronzoni und David Bronner durchaus ein flotter Musicalkäfer. Regisseurin Susan Stroman hat die Geschichte um einen Musicalproduzenten, der einen ultimativen Flop basteln will, um sich sodann mit den Geldern der weiblichen Sponsoren ein angenehmes Leben zu leisten, als überdrehte, groteske Kette von ulkigen Situationen inszeniert. Es dominiert der historische Musicalstil mit nostalgischen Revue-Nummern und professionellem Handwerk. Das Stück ist glänzend gebaut, das Tempo stimmt und ausreichend schrill und verblödelt ist immerhin auch das Stück im Stück, Springtime for Hitler.

Burgschauspieler Cornelius Obonya – er begibt sich als Produzent Max Bialystock zum ersten Mal in seiner Karriere in das Genre Musical – legt seinen Part deftig und schmissig an. Insgesamt ist er ein tragender Teil eines durchwegs sehr präzise agierenden Ensembles. Die Musik des gelernten Schlagzeugers Mel Brooks wird unter der Leitung des Dirigenten Caspar Richter zur fetzigen Demonstration von Big-Band-Können. (Ljubiša Tošic, DER STANDARD, Printausgabe, 1.7.2008)