Wien – Zu Zeiten, als die Liebe noch offenherzig als Geschäftsabwicklung vollzogen wurde, waren selbst 1001 Nächte ganz schön lang. Und dennoch vermochte die Wesirstochter Scheherazade den König von seiner Tötungsabsicht abzubringen und sogar zur Verehelichung anzuregen. So gut hielten die Erzählungen aus den tausendundein Nächten den König bei Laune!

Wie schwer tut sich im Gegensatz dazu das Theater beim Erzählen, wenn es eine Episode aus 1001 Nacht wählt – Abu der Faulpelz. Wie mühevoll bringt es seine Anliegen vor, wie übersättigt stürzt es dabei oft vom Prüfstand.

Das Jugendtheater wählt sich gern nahrhafte Stoffe, Stücke mit vielen Räumen; es denkt mengenmäßig. Einmal inszeniert, sind jene dann mit ihren vielen Ideen kurzweilig anzuschauen und bringen gutmeinend kritische Themen unter die jungen Menschen. Wo aber steckt irgendwo zwischen alldem die Kunst als Behauptung?

Und dabei ist Abu der Faulpelz ein Stück, das dem Theater noch ernsthaft begegnet. Es anerkennt den großen Raum des Renaissance Theaters und drückt ihn liebevoll an sich wie zum zärtlichen Schmatz. Die Geschichte aus den Erzählungen aus den tausendundein Nächten, welche die Katharsis eines Wohlstandsverweigerers und Faulsacks im Land der Kalifen dufttrunken schildert, lässt Klaus Rott bilderbuchhaft erblühen. Der im Jugendtheater geübte Regisseur ist dabei in Amber verliebt oder in Minze. Diese Düfte versprüht er sichtlich. Er richtet eine lichtdurchflutete Bazar-Meublage her, lässt in halbseidenen Gewändern die alten Wohnstraßen durchschreiten: Historie pur. Kunst aber zum Mengenrabatt. Rott zitiert die neue Medienwelt als vergilbte Overheadfolie aus dem Geschichtsunterricht: Auf bunten projizierten Landkarten wird jeweils eine Kapitelzusammenfassung nachgereicht. Mehr als eine augenverwöhnende Bebilderung vermag man der Inszenierung nicht beizumessen. Selbst der Erkenntnisgewinn für über Sechsjährige ist ein charmanter: Die Liebe zieht einen nicht nur in das Bett, sondern sie holt einen da auch wieder raus!

Die Kunst der Schweizer Regiedebütantin Andrea Hügli erwies sich als noch größerer Bestechungsversuch. In ihm liebt sie die Mengenlehre noch viel heißer. Den dramatisierten Roman des Raumfahrttechnikers und Dichters Myron Levoy, Ein Schatten wie ein Leopard, teilt sie wie im Mathematikunterricht zu gleichen Teilen auseinander und dann zwischen New Yorker Maschendrahtzaun auf. Dazu Video und ganze eingeschobene Wohneinheiten. Die eigentlich zarte Beziehung eines puertoricanischen Knaben zu einem Maler löst sich voluminös in Gefriertrockennebel auf.

Wagt es einmal! Verzichtet! Und denkt euch das junge Publikum als euren König!
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18. 10. 2000)