Graz - So ziemlich alle Klischees der wienerisch-ungarischen Operette sind in Gräfin Mariza nochmals versammelt. Volker Klotz spricht von einem Rückfall, der nur zu verstehen sei aus dem Bestreben, dem Welterfolg der Csárdásfürstin einen ähnlichen an die Seite zu stellen. Zwischen beiden Werken lag nämlich der Erste Weltkrieg, lag die umstürzende Veränderung von Mitteleuropa. Die Musik gehört aber zum Besten, das Emmerich Kálmán geschrieben hat. Erfreulich daher, dass unter der sicheren Führung Günter Fruhmanns die Partitur ziemlich komplett erklang. Sie vereinigt nicht bloß Walzerseligkeit mit Csárdás-Klängen; sie bezieht auch die einst modischen Tanzrhythmen ein. Dazu passend die Balletteinlage des Charleston aus der Herzogin von Chicago , Kálmáns weniger erfolgreichem Nachfolgewerk, hier aber eine Glanznummer in Linda Papworths bunt bewegter Choreographie. Was soll man aber machen mit einem Buch, in welchem sich nicht nur "Rosen blüh'n" auf "Varasdin" und "schönste Fee" auf "Plattensee" reimt, sondern auch "Leidenschaft" auf "Gulaschsaft". Nicht zu ernst nehmen! Sabine Loew ist in ihrer Regie nicht aktualisiert, sie hat das Ganze parodistisch genommen, mit witzigen Gags, mit Distanz zu triefenden Gefühlen. Während der Ouvertüre öffnet sich der Vorhang zur leeren Bühne. Schnell werden Versatzstücke herbeigeschafft, damit das Spiel beginnen kann: alles nur Theater! Das Gegenstück zum Schluss: Während des doppelten Happyends wird bereits abgeräumt. Nur nicht schluchzen! Im Übrigen ist die ironisch-einfache und den Zeitstil andeutende Ausstattung von Attila Csikós und Fanni Kemenes (Kostüme) dem Budapester Operettentheater entliehen. Andrea Huber ist als gertenschlanke und stimmlich präsente Mariza in ihrem Metier. Einen eleganten Grafen Tassilo gibt Juraj Hurny, Martina Unden eine quicklebendige Komtesse Lisa. Als Haus-Debütant erscheint Camillo dell'Antonio, ein Baron Zsupán, der seine Suada aus dem Pistolet knallend bekräftigt; so schießt er buchstäblich den Vogel ab, was aber zu guter Letzt Franz Suhrade als Penicek im Dutzend erledigt. Im dritten Akt wird seine komische Rolle zur Sternstunde eines gewesenen Souffleurs. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2. 11. 2000)