Wien - Wenn Severin Groebner tief Luft holt, macht seine linke Nüster unwillkürlich dicht: Er zwinkert gewissermaßen mit seinen Nasenlöchern. Eine bezeichnende Randerscheinung in seinem fabulösen "Salon des Illusions". Einem Ort, an dem alles möglich ist: wo Ameisen wahlweise zertanzt werden oder dem Fuchs eine Klimaanlage eingebaut wird, wo sich unpolitische Korrektheit im Joghurtregal austobt, wo Max Mustermann nach staatlicher Überwachung lechzt, wo "der lustigste Geschlechtsverkehr der Welt" in einem körpersaftigen Bild des Jammers mündet und Wodka zu Kartoffeln wird.Torten ins Gesicht "Es wird nichts erklärt", sagt Groebner vor seiner Entdeckungsreise in die Imagination. Wozu auch? Das Publikum hat ja keine Ahnung von Humor. Sagt's - und knallt sich demonstrativ Torten ins Gesicht. Die Realität solle sich doch angesichts des gesteigerten, umnebelnden TV- und Drogenkonsums selbst überlegen, warum so wenige Menschen mit ihr etwas zu tun haben wollen. Der markante Strich in der Kabarettlandschaft, der da abseits ausgetretener Pfade in den horizonterweiternden "strawberry fields" der Kleinkunst hochwertige Späße erntet, ist in seinem neuen, zweiten Soloprogramm tatsächlich Jetzt noch Groebner : Irrwitzige Geistesfrüchtchen und allerlei atemberaubende Ausgeburten ungezügelter humoristischer Experimentierfreude verdichtet er zu einem überraschungsreichen, berauschenden Plädoyer für die Fantasie. Trotz seiner mutigen, verspielten Vielfalt ein Programm wie aus einem Guss, dessen wenige Schwachstellen breitzutreten einer groben Unsportlichkeit gleichkäme. Vielmehr ist es ein eindrucksvoller Beleg dafür, dass Groebner derzeit nicht zufällig als heißer Favorit für einen namhaften deutschen Kabarettpreis gehandelt wird. Taktvolle Worte Sein "Programmassistent", ein kleiner Sampler, beschließt den hitzigen Abend mit den taktvollen Worten: "Hättest du geschwiegen, wärst du Philosoph geblieben." Erst selten war der "Irrealis" so positiv besetzt. Lassen Sie sich das nicht entgehen!
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6. 11. 2000)