Ist es wirklich so wichtig, ob der neue Präsident der USA Gore oder Bush heißt? Zwei mediengerecht gestylte Gesichter, der eine Typ angeblich etwas hölzern, der andere angeblich etwas "dumb". Beide waren siegessicher, beide haben alles getan, um sympathisch zu wirken. Haben sich für ein starkes Amerika eingesetzt, für die Chancen der Schwarzen und Hispanics, für ältere Menschen, für eine starke Wirtschaft, für Ehre, Anstand, Moral . . . Tausende MeinungsforscherInnen waren damit befasst herauszufinden, was das amerikanische Volk hören will. Und wie nicht anders zu erwarten: Die Ergebnisse waren sehr ähnlich, egal, ob die Forschungsinstitute von der Demokratischen oder der Republikanischen Partei bezahlt worden sind. Längst geht es nicht mehr darum, im Wahlkampf politische Ziele zu benennen. Es ist auch zu wenig geworden, die Interessen der StammwählerInnen zu befriedigen. Jede Stimme zählt, also gilt es, möglichst viele Stimmen zu bekommen. Und die bekommt man eben nur, wenn man die größten gemeinsamen politischen Nenner findet, die Themen, die möglichst alle interessieren, die Meinung, die möglichst alle goutieren. Demokratie bedeutet Volksherrschaft. Es soll geschehen, was das Volk will. Bewirkt ultimativer Populismus ultimative Demokratie? Es gibt ja auch bei uns PolitikerInnen und Boulevard-Zeitungen, die das vorgaukeln. Tatsächlich ist das Streben nach der größtmöglichen WählerInnenmenge eine Pervertierung jeder demokratischen Verfassung. Denn Demokratie geht davon aus, dass Menschen wählen können, und zwar nicht nur zwischen Personen und Parteien, sondern natürlich auch zwischen unterschiedlichen Inhalten. Primat der Emotion? Was ist das für eine Demokratie, in der die meisten glauben, - um in den USA zu bleiben - sich schließlich zwischen dem hölzernen Streber oder dem dümmlichen Kumpel entscheiden zu müssen? Doch wenn die verkündeten Inhalte verwechselbar werden, dominieren Sympathie und Emotionen. Menschen, das sollte gerade in einem Land klar sein, in dem es vor einigen Jahrzehnten Millionen nationalsozialistische MittäterInnen gegeben hat, lassen sich allzu leicht verhetzen. Und natürlich ist es nach wie vor nicht egal, wen man wählt. Politische Konzepte existieren, sie werden bloß nicht klar ausgesprochen. Sie sind zu einer Art Geheimwissenschaft für Eingeweihte geworden. Wenn George Bush im Wahlkampf von einem "starken Amerika" gesprochen hat, dann hat er damit Anpassung an die Wünsche der Waffenlobbys signalisiert. Wenn Al Gore von einem "starken Amerika" gesprochen hat, so hat er damit wohl auch Militärpolitik (samt den Aufträgen an die Rüstungsindustrie) gemeint, aber darüber hinaus vielleicht doch noch etwas anderes. Aber was? Vielleicht weiß ich es nicht, weil ich zwar eine aufmerksame Beobachterin der USA bin, aber keine "Eingeweihte". Vielleicht weiß ich es aber auch bloß nicht, weil konservativ-reaktionäre Gruppierungen allemal noch klarere Konzepte haben als Mitte-Parteien mit einem gewissen sozialpolitischen Anspruch. Rechts gilt als salonfähig, alles, was nur im Geruch steht, links zu sein, hingegen als suspekt. Die Macht konservativ orientierter Medien trägt sowohl bei uns als auch jenseits des Atlantiks zur Verbreitung dieser Haltung bei. Aber egal ob rechts, links oder sonst wo: Parteien und Personen, die tatsächlich an demokratischen Entscheidungen interessiert sind, müssen ihre Konzepte klar auf den Tisch legen. Und es darf kein Zuwarten geben, unter dem Motto, "solange sich die anderen um Stimmenfang kümmern, müssen wir das eben auch tun". Endlich wieder Politik! Wie erfrischend wäre es, würde die FPÖ endlich klar sagen, dass Frauen sich gefälligst um Küche, Kinder und Mann kümmern sollen - ihre Politik ist ohnehin danach. Wie wohltuend, würde die ÖVP sagen, dass Menschen in sozialen Notlagen besser daran täten, so "tüchtig" zu sein wie das eine oder andere Unternehmer-Söhnlein. Ihre Politik ist ohnehin danach. Wie schön wäre es dann, würde die SPÖ sagen, dass die Gewinne gerecht auf die verteilt werden müssen, die sie als ArbeitnehmerInnen erwirtschaftet haben. Es bliebe zu hoffen, dass ihre Politik dann danach wäre. Und wie angenehm wäre es, würden auch die Grünen ihre vorhandenen Konzepte nicht mehr hinter einer professoralen Integrationsfigur verstecken. Dann nämlich gäbe es endlich wieder Politik. Und jede und jeder könnte mitreden. Und Al Gush und George Bore samt ihren Verpackungsstylisten sähen auf einmal sehr alt aus. Eva Rossmann ist Publizistin und Autorin in Wien.