Nein, mit Robert Walser geht man nicht einfach "spazieren"; man setzt sich wie ein Tagpfauenauge auf die Alltagsdinge. Diese sind von Rabatten umstanden - von den Zier- und Geziertheits-Floskeln der Walserschen Schulheftchensprache, von den Ornamenten einer töricht schönen Verzweiflungskunst. Der Schweizer Walser (1878-1956) ist der letzte "Spaziergänger", der sich den Schock des gehetzten "Flaneurs" für die Länge seiner Sätze vom Leibe hielt. Die Moderne steht schweigend hinter ihm, klopft ihm auf den Überzieher, fletscht ihre Eisenzähne. Walser tut, als wäre (ihm) nichts geschehen. Er balanciert die ganze Welt noch einmal auf dem Knauf seines Spazierstöckchens - und sie dreht sich, kugelrund und kinderbunt und konversationsheftchen-schlau, vor seinen Augen. Der große Burg-Mime Ignaz Kirchner, ein ingeniös zeitloser Schauspielerkopf, präsentiert "Der Spaziergang" (1916) ab Freitag im Burg-Vestibül. Und er wird Walsers langen Perioden, ihrem verzweigten, verzweifelten Kanal-Gang folgen müssen. Wir freuen uns auf ein Kinderlächeln auf Kirchners kahlem Schädel: Wenn er erzählt, wie er den "Herrn Vorsteher oder Herrn Taxator" auf dem Amt um Steueraufschub inständig bittet - und dabei auf den Müßiggang wie auf sein Daseinsrecht umstands-biedermeierlich beharrt: "Auf einem schönen und weitschweifigen Spaziergang fallen mir tausend brauchbare nützliche Gedanken ein." Und dann hat er sich wieder auf seine löcherigen Erzähl-Socken gemacht. Sein Rundgang führt nirgendwo hin, führt zu gar nichts. Doch dort muss man gewesen sein. (poh/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17. 11. 2000)