Carl Zellers "Vogelhändler" erscheint an der Volksoper in einer grellen, verspielten und schrulligen Version, die den Sängern höflichen Applaus bescherte. Über Regisseur Alexander Schulin ergoss sich eher zu Unrecht der Zorn des Publikums, findet Ljubisa Tosic . Wien - Bis das Herz zum Herzlein findet - es dauert mittlerweile oft eine träge TV-Seifenoper lang. Also lang. Wie praktisch hingegen die alten Seifenopern, also Operetten! Zwar vermag man nicht wegzuzappen, wenn es nervig wird. Aber schnell geht es: Auch wenn der Tiroler störrisch-bockig ist, kommt die Liebessache im Vogelhändler vergleichsweise flugs zu einem positiven Bussi-Ende. Doch wo wurden die Liasions angebahnt, wo sind wir hier in der Volksoper eigentlich? In einem Fernsehstudio, in dem eine neue Folge von Tohuwabohu mit parodistischer Berücksichtigung einer - sagen wir einmal - Serien-Koproduktion von RTL und ORF namens Rosen aus Tirol gedreht wird? Oder gastiert jetzt der Musikantenstadel in Las Vegas? Man könnte auch vermuten, die Story sei in den Himmel verlegt worden, wo die gelangweilten Götter nach Feierabend Hofrat Zellers Operettenreißer für ihre Kinder als Märchen aufführen. In ihrer Version sind die Jagdgewehre schließlich so groß, dass zehn Menschlein sie tragen müssen; und dem Hofstaat, dem wachsen gar Libellenflügel. Natürlich, auch im Himmel buckelt man vor Exzellenzen - etwas extrem, Regisseur Alexander Schulin liebt halt die Überzeichnung; und der Tiroler ist - Sakra no amal! - ein kerniger Knickerbockerträger. Auf diesen werden viele Besucher ihre Hoffnungen gesetzt haben, falls sie sich wünschten, hier möge es so putzig-nett zugehen wie im ehrenwerten Mörbisch. Ansonsten werden sie enttäuscht festgestellt haben, dass die scheinauthentischen Klischees hier das Casting nicht geschafft haben. Es dominiert ja eine grelle, schräge Welt voll der überdrehten und schrulligen Figuren, deren Gehabe auch bei einer Bewerbung für Monty Python zum Erfolg geführt hätte. Detaillierte Arbeit Damit wir uns auch richtig missverstehen: Das ist gut so. Schulin nimmt das Werk ernst, soweit man es ernst nehmen kann. Er nimmt dessen Künstlichkeit auf und spielt mit ihr, übermalt das folkloristische Gehabe mit bunten Farben. Auch wenn der Abend mitunter unter Dialoglängen litt, so darf man hier denn auch zu einer detailvollen Arbeit gratulieren, die sich sorgfältig um Chor und Figuren kümmert. Interessant, dass Schulin dort, wo es um Amore geht, ziemlich ernst wird. Karikaturen und Spielereien haben dann Pause. Momentelang wird dann Einblick in seelische Abgründe gewährt - aus Figuren werden Sehnsuchtsmenschen. Da versteht die Regie keinen Spaß und inszeniert Situationen von poetischer Dichte. Angesichts der Glückserwartung schmelzen sie somit alle dahin - der Baron Weps (nicht wortdeutlich, aber durchaus von charmanter Präsenz: Josef Forstner), seine Adelaide (charmant: Sigrid Martikke), die nostalgische Kurfürstin Marie (stimmlich nicht wirklich durchschlagend: Gertrud Ottenthal) und auch Stanislaus (eitel-komisch: Stephen Chaundy). Nur Birgid Steinberger (als Briefchristel) bleibt bis zuletzt das selbstbewusst-resche Mädchen. Und nur sie zeigt, welchen vokalen Anforderungen man gerecht werden muss, um eine tadellose musiktheatralische Rollenumsetzung zu bewältigen. Kompliment. Ihr Adam (Oliver Ringelhahn) hingegen hat außer abendfüllender Urigkeit nur eine Stimme zu bieten, die bei irgendeiner Bergbesteigung beschädigt wurde. Nicht wirklich überzeugend. Dass dem Abend zuweilen die Luft ausging, stand auch im ursächlichen Zusammenhang mit den Ereignissen im Orchestergraben. Zwar klang das Volksopern-Orchester über weite Strecken extrem kultiviert; Alexander Joel ist schließlich ein umsichtiger Dirigent mit genuinem Gefühl für Poesie und Bedürfnisse der Sänger, die man auch tatsächlich jederzeit mühelos hören durfte. Danke. Doch scheinen sein kammermusikalischer Ansatz und seine Behutsamkeit mitunter zu einer Zurückhaltung geführt zu haben, die Joel jenen Punkt verpassen ließ, an dem er mehr dramatisch-dynamische Impulse geben hätte müssen. So klang es punktuell einfach so zurückhaltend-höflich wie der Applaus für die Sänger. Mehr von jener Dramatik, die dem Regisseur als Unmut entgegenschlug, wäre angenehm gewesen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31. 1. 2001)