Wien - Die 30-jährige Wienerin Saskia Hölbling, deren Talent lange bekannt war, hat sich in den Vordergrund choreographiert. Kaum zufällig also, dass die Tanztheater-Wien-Chefin Liz King die Absolventin von Anne Teresa de Keersmaekers Brüsseler Tanzinstitut "P.A.R.T.S." für eine Kooperation mit der Volksoper Wien und dem WUK einlud: "emerge behind your eyes" entstand mit und für fünf Tänzer, die nie im Miteinander, sondern alleine, sukzessiv oder vollkommen eigenständig parallel agieren. Wesentlicher Bestandteil ist dabei ein Breitwandvideo von Niko Hölbling. Bevor noch der erste Tänzer die Bühne betritt, ziehen auf der Leinwand Bäume vorbei. Im stetig anschwellenden Tempo geht es die Westbahnstrecke entlang Richtung Salzburg. Als Betrachter wird man in dieses Geschwindigkeitssystem hineingerissen. Dieses imaginäre Mitfahren wird noch durch Martin Kratochwils Musik, die den Zugrhythmus aufgreift, verstärkt. Jede noch so schnelle, ganz auf die individuellen Fertigkeiten der Interpreten ausgerichtete Bewegung ist wie in Zeitlupe zu erleben. Ein überaus interessanter Beitrag zum Thema Wahrnehmung. Mit der Fortbewegung im Raum hat Simon Frearson kaum etwas im Sinn. Wie schon im vor zwei Jahren aufgeführten "Un/Seen" hat er auch für "Mirror Mirror", dem zweiten Programmpunkt des Abends, vorwiegend Laien um sich gesammelt. Über dreißig Personen sitzen auf der Bühne, verlassen zwischendurch den Raum, kommen und gehen. Während Videoporträts der Mitwirkenden samt eingeblendeter Fragen und Aussagen über Sex zu sehen sind, sitzen diese "Statisten" locker da und betrachten das Publikum. Vierzig Minuten lang geht es um Details von Mimik und dezenter Geste. Der Spiegeleffekt wirkt doppelt. Die Bühnenmenschen amüsierten sich an ihrem Gegenüber - wie auch umgekehrt. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24./25. 2. 2001)