Wien - Maskottchen, Glücksbringer oder aromatisiertes Taschentuch - was hilft nicht alles, um prekäre Situationen möglichst unbeschadet zu bestehen. Auch Zahlen, Orte und Kalenderdaten sind dabei nicht zu übersehen. Vladimir Malakhov hat Wien nebst 11. März für sich erkoren. 1999 debütierte er an diesem Tage an der Staatsoper als Choreograph und Regisseur des Petipa-Klassikers Die Bajadere . Damals handelte es sich nicht um eine Neuinterpretation, sondern um die sorgfältige, leicht an das heutige Schaubedürfnis des Publikums adaptierte Fassung eines bekannten, hierzulande zuvor nicht etablierten Klassikers des 19. Jahrhunderts. Als weltweit gefeierter Interpret der männlichen Hauptrolle Solor kannte Malakhov dieses Werk in- und auswendig. Das Resultat war eine solide Arbeit, insgesamt ein großer Erfolg, dem auch angereiste Kritiker nahezu nichts entgegenzuhalten hatten. Am kommenden Sonntag, dem 11. März, bringt Vladimir Malakhov Verdi-Ballett: Ein Maskenball zur Uraufführung. Wieder zeichnet er für Choreographie und Inszenierung, wieder tanzt er die männliche Hauptrolle (Gustav III., König von Schweden), wieder ist der Katalane Jordi Roig für die Ausstattung verantwortlich. Und doch ist alles anders: Diesmal kann sich Vladimir Malakhov nicht an Tradiertes halten. Alleine, ohne jegliche choreographische Assistenz, hat er dieses nach einem Libretto des dänischen Musik-und Tanzwissenschaftlers Knud Arne Jürgensen geschaffene Handlungsballett in zwei Akten zu bewältigen. Inhaltlich orientiert man sich in groben Zügen an Giuseppe Verdis Oper Un ballo in maschera , konzentriert sich aber auf Schweden, auf den liberalen, den schönen Künsten zugewandten König Gustav III. und auf die fatal endende Liebesbeziehung zu Amelia, der Ehefrau des eher konservativ eingestellten Konterparts Graf Anckarströms. Als musikalische Begleitung wählten Malakhov und Jürgensen Ballettkompositionen aus diversen Verdi-Opern samt Ouvertüren und Symphonien. Dirigent der bis in den April angesetzten Vorstellungen ist Frédéric Chaslin. Trotz dieser herausfordernden Aufgabe, trotz minutiös durchgeplantem Tagesablauf wirkt Vladimir Malakhov einige Tage vor der Premiere ziemlich ruhig. Kann er auch sein: "Vorige Woche haben wir das Ballett abgeschlossen. Das beruhigt. Jetzt habe ich noch Zeit, um zu polieren, um auszufeilen, kann das Werk aus der Perspektive des Zuschauers aus betrachten. Das ist wichtig, denn ich sehe alles mit den Augen eines Tänzers. Da fehlt dann die Distanz zur Bühne." Die Proben laufen seit Ende Dezember. Vladimir Malakhov kam mit einem "von Anfang bis Ende fertigen Konzept" nach Wien. "Zu Hause" wurde alles skizziert und dem Ablauf gemäß "Punkt für Punkt" vorbereitet. Zu Hause heißt für den tanzenden Globetrotter nicht nur sein New Yorker Appartement, zu Hause ist er genauso in Japan, in den europäischen Metropolen wie in Flugzeugen. Die Charakterzeichnung allerdings fand vor Ort statt. Er schätzt die persönlichen Anlagen der Wiener Tänzer: "Das Eingehen auf die individuellen Darstellungspotenziale liegt mir sehr am Herzen. Erst während der Arbeit sieht man, welche Rolle wirklich zu wem passt. Ich habe zwischendurch immer wieder umbesetzt." Neben Malakhov werden Eva Petters und Wolfgang Grascher die Protagonisten der Premiere sein. Kreative Vorbilder hat Malakhov für sein Werk nicht. Er bevorzugt den "eigenen Weg". Wohin dieser Weg abseits vom gerade aktuellen Verdi führen wird, bleibt noch ungewiss. Immerhin wird der 33-jährige gebürtige Ukrainer mit österreichischem Pass bereits als Ballettdirektor in spe der Deutschen Staatsoper Berlin gehandelt. "Alles nur Gerücht", meint Malakhov dazu. Obwohl: Bei passenden Voraussetzungen stünde er einer künstlerischen Leitung durchaus interessiert gegenüber. (Ursula Kneiss - DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9. 3. 2001)