Wien - Airan Berg, zusammen mit Martina Winkel Gründer des vazierenden Theaters ohne Grenzen , und der australische Regisseur Barrie Kosky, Intendant des Adelaide Festivals 1996, hatten sich mit einer "Einladung zu einem Dialog" für die Leitung des Wiener Schauspielhauses ab dem Herbst dieses Jahres beworben. Kulturstadtrat Peter Marboe (ÖVP) nahm diese nach kurzer Bedenkzeit an: Am Freitag führte er mit den Theatermachern, die von der Jury in den Dreiervorschlag gewählt worden waren, ein längeres Gespräch; am Sonntag um elf Uhr nachts gab er ihnen seine Entscheidung bekannt.

Insgesamt waren 77 Bewerbungen im städtischen Kulturamt eingetroffen, neun von ihnen wurden zum Hearing eingeladen, acht präsentierten ihre Vorstellungen. Laut Jury- mitglied Wolfgang Reiter wären drei Modelle zu erkennen gewesen: ein eher konservatives, ein experimentelles und ein internationales. Marboe hätte sich daher nicht nur für einen Namen zu entscheiden gehabt (zur Diskussion standen auch die deutschen Regisseure Claudia Bosse und Nicolas Stemann), sondern auch für ein Konzept.

Wobei das siegreiche Duo gleichermaßen für das Experiment wie die Internationalität steht: Berg, der sein eigenwilliges Theater mit Video, Puppen, Objekten etc. macht, und Kosky, der nicht nur Schauspiel (Faust, King Lear), sondern auch Oper (Nabucco, Der fliegende Holländer) inszenierte und gerade mit Nick Cave eine Tanztheaterproduktion entwickelt, möchten Kooperationen eingehen, Dialoge initiieren (zwischen Theatermachern und Autoren), neue Stücke entwickeln und alte Stoffe adaptieren. Das 1977 von Hans Gratzer begründete Schauspielhaus in der Porzellangasse soll seinen Name behalten, das Programm der ersten Saison im Juni vorgestellt werden.

Die Verträge mit Berg, geboren 1961 in Tel Aviv, und Kosky, geboren 1967 in Melbourne, laufen drei Jahre - mit Option auf eine einmalige Verlängerung. Ihr Budget beträgt festgeschriebene 16 Millionen Schilling pro Jahr von der Stadt Wien zuzüglich der Subvention des Bundes (sechs Millionen im Jahr 1999). (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13. 3. 2001)