Berlin - Eigentlich waren sich alle einig: Wir haben kein Problem. Der viel beschworene Generationskonflikt in der deutschen Theaterszene ist ein Phantom, beschlossen alte und junge Theatermacher am Sonntagnachmittag bei einer Diskussion des 38. Theatertreffens in Berlin. Unter dem Motto "Was heißt denn hier alt - Was heißt denn hier jung?" saßen erstmals Vertreter des Berliner Festivals und der in Frankfurt am Main zeitgleich als so genanntes Gegen-Theatertreffen laufenden "Experimenta" an einem Tisch und wollten sich so gar nicht streiten. "Deutsche Männer haben Schwierigkeiten zu altern" "Dieses Alt- und Jung-Denken verstehe ich nicht", meinte die bei der "Experimenta" vertretene Regisseurin Christina Paulhofer (Jahrgang 1969). "Ich glaube, das ist ein sehr deutsches Problem und habe eher das Gefühl, dass deutsche Männer Schwierigkeiten haben zu altern", meinte sie ein bisschen kokett und dachte dabei offenbar an die in die Jahre gekommenen Regiestars und Feuilleton-Schreiber. Keine Einladung an die jungen Regisseure für die "Bühnenolympiade" Altgediente Regisseure wie Peter Zadek (er wird am Samstag 75), Claus Peymann (63) und Luc Bondy (52) stehen mit ihren Inszenierungen noch bis zum 24. Mai im Mittelpunkt des Berliner Theatertreffens deutschsprachiger Bühnen. An die jungen, mittlerweile mit eigenen Bühnen ausgestatteten Regisseure wie Thomas Ostermeier von der Berliner Schaubühne oder Tom Kühnel und Robert Schuster vom Frankfurter TAT-Theater ging keine Einladung. Auch Stefan Bachmann vom Theater Basel, Stefanie Carp vom Schauspielhaus Zürich und Tom Stromberg vom Deutschen Schauspielhaus wurden nicht für würdig befunden, bei der "Bühnenolympiade" mitzumachen. Ist das Publikum schuld? Peter Iden (Jahrgang 1938), Juryvorsitzender der Theatertreffen-Jury, Kritiker der "Frankfurter Rundschau" und 1966 Mitinitiator der ersten Frankfurter "Experimenta" sagte, Junge Teams hätten große Theater übernommen, wo sie nun mit großer Leidenschaft arbeiteten. "Aber sie haben Schwierigkeiten mit dem Publikum." Die Zuschauer seien einfach noch nicht abenteuerlustig genug, meinte Iden. "Die meisten Unterschiede zwischen alten und jungen Regisseuren gibt es in der Ästhetik ihrer Stücke", erklärte Regisseur Nicolas Stemann (Jahrgang 1968), der bei der "Experimenta" (bis 3. Juni) unter anderem Shakespeares "Hamlet" zeigt. Junge Kollegen arbeiteten in ihren Regiearbeiten zum Beispiel viel stärker mit den neuen Medien. Auch die Länge beziehungsweise neue Kürze der Inszenierungen habe mit den Gewohnheiten von jungen Menschen zu tun. "Nach einer Spielfilmlänge von 90 Minuten ist das Publikum gelangweilt." Schweres Tragen die Jungen am Erbe der 68er-Kollegen Keiner sagte es laut, doch vielleicht sind die "jungen Wilden" des Theaters auch einfach ein bisschen beleidigt gewesen über die Missachtung durch das Theatertreffen und haben deshalb die "Experimenta" als ihr Forum wiederbelebt, mutmasst TAT-Chefdramaturg und Initiator der neuen "Experimenta", Bernd Stegemann (Jahrgang 1967). Tatsächlich trügen viele junge Regisseure schwer am Erbe ihrer von den 68er Jahren geprägten Kollegen, die ständig nach "Vatermord" und "Pop" schrien und noch ein klares Weltbild mit sich herum trügen. Die heutige Regisseurs-Generation leide dagegen an einer "Zersplitterung des Weltbildes". Drei, vier, fünf Theatertreffen... "Ich würde mir drei, vier, fünf Theatertreffen in Deutschland wünschen", sagte der Intendant des Niedersächsischen Staatsschauspiels Hannover, Wilfried Schulz (Jahrgang 1952), dessen Haus bei der "Experimenta" mit zwei Produktionen vertreten ist. "Junge Regisseure haben den Instinkt für aktuelle Stoffe, den Mut zeitgenössische Stücke zu zeigen." Ansonsten seien die so genannten Jungregisseure eine völlig heterogene Gruppe. "Es gibt kein junges und altes Theater, sondern nur gutes und schlechtes", bilanzierte Theatertreffen-Leiter Torsten Maß. (APA/dpa)