Griffen - Josef Winklers Welt, so könnte man etwas poetisch formulieren, baumelt an einem Kalbsstrick. Ein Strick, der die ländliche Welt aufs Engste zusammenschnürt und seinen Bewohnern die Luft zum Atmen nimmt. "Hört dem Kalbsstrick zu, er hat genug erlebt", heißt es im 1980 erschienen Roman Der Ackermann aus Kärnten , dem zweiten Teil von Winklers sprachmächtiger Trilogie Das wilde Kärnten . Der Kalbsstrick, er steht im Werk des Kärntner Sprachkünstlers für ein traumatisches Ereignis, das als eines der Initiationsereignisse für Winklers Schreiben gelten kann: An einem Kalbsstrick erhängten sich weiland in einem Pfarrhofstadel die zwei Kärntner Jugendlichen Jakob und Robert. Eine Tat, an der sich Winkler mit seiner Trilogie abarbeitete, sprachlich überbordend, bilderwütig, erotisch durchdrungen. In seinen Romanen Menschenkind , Muttersprache (1982) und eben Ackermann aus Kärnten erzählt er Geschichten aus einem Dorf, das in der Form eines Kreuzes erbaut ist. Der Kalbsstrick steht darin natürlich auch für das dörfliche, vitale Element, dem Winklers Texte - bei aller Struktur - gehorchen, für das Hin- und Hergerissensein zwischen Sterbensfurcht und Todeslust, zwischen geschundenen Kinderseelen und Hahnenköpfen. Wie man der Winklerschen Textflut auf der Bühne eine Verkörperung geben kann, dieser Frage spürt ab heute, Donnerstag, ein "Theaterstück nach Josef Winkler" von Ute Liepold und Bernd Liepold-Mosser nach. Blutorange mit Heiligenschein nennt sich das Projekt, das mit Texten aus Das wilde Kärnten arbeitet. Spannend! (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12. 7. 2001)