Es ist nicht der heroenhafte Prometheus, der Zeus selbst noch in Gefangenschaft verlacht. Heiner Müller zeichnet das Bild des mythologischen Philanthropen als das einer Kreatur, die in ihrer Isolation die Gefangenschaft längst verinnerlicht, auf ihr eigenes Denken übertragen hat. Und sich - als der wackere Herakles vorschriftsgemäß auftaucht - gegen seine Befreiung anfangs zur Wehr setzt. Von der Stärke dieser ungewöhnlichen Deutung, die durch scheinbare parodistische Leichtigkeit hindurch immer wieder Blicke in die Abgründe einer gequälten Seele freigibt, lebt Heiner Goebbels' 1985 als Hörspiel konzipiertes, später überarbeitetes "szenisches Konzert" Die Befreiung des Prometheus, das im römischen Amphitheater von Carnuntum aufgeführt wurde.
In bester Eislerscher Fasslichkeit wird hier aus einem antiken Stoff ein aktuelles Psychogramm entwickelt. Goebbels' Musik kontrapunktiert die Klarheit von Ernst Stötzners Rezitation trotz minimaler Besetzung durch orchestrale Vielschichtigkeit: Nur der Komponist selbst an den Tasten sowie David Moss am Schlagzeug sowie geniale vokalen Einlagen imaginären Kindergebrabbels realisieren die akustische Textur, die in ihren wuchtigen Rock- und HipHop-Rhythmen und so mancher Sample-Collage aus Märschen und Soundtracks nicht immer illustrative Plakativität vermeidet.