Das ist die gute Nachricht. Die Mächtigen dieser Welt haben sich durchgerungen, neue Lösungsansätze für alte Probleme zu suchen. Wenn es um die Lösung von Problemen geht, sind schließlich 100 Prozent kreatives Potenzial besser als nur die Hälfte. Gerade Frauen haben den Mut und das Einfühlungsvermögen, Konflikte friedlich zu lösen; sie haben den Finger am Puls der Gemeinschaft, und - außerhalb der Machtstruktur stehend - sie sind daran gewöhnt, alternative Wege zu finden.
Aber nicht alle Nachrichten sind gut. Wenngleich progressiv genug, um die Tragweite zu erkennen, wenn Frauen für den Frieden aktiv mitwirken, ist es doch symptomatisch, dass eine Gruppe, die nur aus Männern besteht, das Dokument unterzeichnete und Frauen nicht direkt in den Entscheidungsprozess eingebunden waren.
Die ewige Opferrolle
In den vergangenen Jahren habe ich, als Vorarbeit für die Erklärung der G-8-Staaten, mit dem Außenministerium der USA und anderer Länder zusammengearbeitet, um die Leistungen von Frauen hervorzuheben, die mitgeholfen hatten, Konflikte zu lösen und den Frieden zu sichern. Unsere Gespräche endeten immer wieder mit der Rolle der Frau als Opfer, nicht zuletzt deshalb, weil nur wenige Frauen führende Positionen innehaben. Der Prozentsatz ist in den letzten fünfzig Jahren zwar signifikant gestiegen, aber man darf dabei nicht übersehen, dass auf internationaler Ebene über die Hälfte der Frauen erst seit 1991 aufgerückt ist.
Kommt noch dazu, dass die wenigsten der weiblichen Staatschefs das Amt aktiv anstreben, sondern es meistens "unbeabsichtigt" übernahmen, sei es, weil ihr Mann ermordet wurde, sei es, weil sie in der Erbfolge an der Reihe waren oder dem Druck der Gesellschaft nachgaben.
Einige vertreten die Meinung, zum Beispiel die ehemalige Präsidentin Irlands, Mary Robinson, dass Frauen "instinktiv weniger hierarchisch sind . . . und die Energien Gleichgesinnter partnerschaftlich mobilisieren". Andere wieder sind der Ansicht - Beispiel Margaret Thatcher und Benazir Bhutto -, Frauen würden sich kaum von ihren männlichen Amtskollegen unterscheiden: hierarchisch und machtzentriert.
Wer immer Recht haben mag, eines steht fest: An der Basis haben sie die Zügel in der Hand. Hier geht es darum, außerhalb der Machtstrukturen aktiv zu sein. Ihre Position in der "zweiten Reihe" kann auch ein Segen sein:
Israelische und palästinensische Frauen kommunizieren über die Demarkationslinien hinweg im Internet; eine Reporterin in Kolumbien nahm einen acht Stunden langen Ritt in den Dschungel auf sich, um den Führer einer paramilitärischen Einheit zu interviewen. Frauen in Burundi drohen ihren Männern mit dem Entzug der "ehelichen Rechte", wenn sie als Rebellen wieder zu den Waffen greifen.
Geborene Führerinnen
Kurz gesagt, Frauen sind in der Lage, Menschen auf eine Art und Weise zu mobilisieren, die Männern verwehrt ist, ohne politischen Parteien und Behörden Rede und Antwort zu stehen. Diese "geborenen Führerinnen ohne formelle Autorität" - wie sie Ron Haefitz von der Harvard Universität nennt - füllen ein Vakuum. Sie erledigen Dinge, die das politische Establishment nicht wahrnimmt.
Die Gefahren, denen sie sich aussetzen, sind in Zeiten der Instabilität und des Krieges unvergleichlich höher. Ihre emotionale Verbundenheit mit der Gemeinschaft ist deshalb so wertvoll, weil gerade sie es sind, die ihren Mitmenschen helfen, den Problemen die Stirn zu bieten, statt auf kurzsichtige, kontraproduktive Maßnahmen zurückzugreifen.
Es ist ermutigend, dass die G-8-Staatschefs nach dem Engagement der Frauen bei Fragen über Krieg und Frieden verlangen. Ebenso wichtig wäre es aber gewesen, sie zu den Gesprächen über internationale Verschuldung, Aids und Armut an den Verhandlungstisch zu bitten und auf ihre Stimme zu hören. Denn alte Probleme fordern neue Lösungen.
Und neue Gesichter.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.8. 2001)