Salzburg- Unter völlig unterschiedlichen, aber faszinierenden Voraussetzungen wurde in Salzburg musiziert. Im Mozarteum waren es die jungen Dachse des Attergau Institute Orchestra, deren Trupp von Wiener philharmonischen Altfüchsen durchmischt war. Es sind dies Pädagogen, die in St. Georgen Nachwuchsmusiker auf das große Orchesterspiel einjustieren - unter der Leitung von Valery Gergiev.

Man könnte sich für ein solches Kursfinale einen gesitteteren Maestro vorstellen, das käme einem weniger ohrenbetäubenden Hörerleben zugute. Andererseits scheint es für den Nachwuchs von Nutzen zu sein, einmal in Hitze die Botschaften Schostakowitschs (Kammersinfonie op. 110 a), Mendelssohns (die Schottische op. 56) und Prokofieffs (Violinkonzert Nr. 2) zu vernehmen. Als Solistin punktete die 14-jährige Sandra Cameron, ein Talent, aber auch eine zarte Pflanze, die bedächtig gepflegt werden sollte.

Nestlé-Österreich firmiert für das Attergauer Unternehmen als Initiator. Wenn nun auch die Berliner Philharmoniker eingetroffen sind, dann ziert sich auch nicht die Deutsche Bank (als "unser Partner") im Kleingedruckten des Programmes darauf hinzuweisen, in welche Richtung sie ihre schwarzen Zahlen auszuschütten beliebt.

Dies wird man gutheißen, wenn unter der Leitung von Claudio Abbado eine fiebrige Aufführung zustande kommt, wie jene der Siebenten von Gustav Mahler. Nicht nur, dass Abbado, gesundheitlich offenbar wieder gefestigt, als Persönlichkeit, als Mensch dem Orchester spürbar näher gekommen ist. Es ist um sein asketisches, fordernd-liebevolles Dirigieren eine Aura der Selbstlosigkeit, die von den Musikern auf rücksichtsvolle, in der gestalterischen Konsequenz völlig schonungslose Weise angenommen und akustisch-philosophisch reflektiert wird.

Mahlers kapitale Nachtmusik mit ihren schwarzbunten Kleins- und Elementarereignissen vollzog sich - keinesfalls perfekt in der detaillierten Sachbehandlung - in einer Atmosphäre von Spannung und Weitsicht, von Geben und Nehmen, wie sie in den erlebten Annalen der Festspiele von absolutem Seltenheitswert ist. Zuweilen darf man gesammelte Kräfte eines Interpretierens auch am Grad der publikativen Geschocktheit - nämlich Ergriffenheit - messen. Im Großen Haus herrschte lautstarke Andacht, endloser Jubel, und dann entschieden sich die Massen für jene Aufsprungbegeisterung, die man anglikanisch als Standing Ovations bezeichnet, wo sie doch mancherorts ein automatisierter, auch von langer Beifallshand inszenierter Reflex ist. Es war ein Mahler-Abend wie kaum ein Zweiter. Die Hörer schienen am Ende ihren Claudio zu umarmen. Eine Intimität, die sich applaudierend auch das Orchester erlaubte.

(DER STANDARD, Print, 30.08.2001)