Zu all dem Leid, das die AmerikanerInnen in den letzten Tagen durchleben mussten, kommen jetzt, quasi beim Aussortieren der Beileids- und Solidaritätsbekundungen, die politischen Probleme. Eine weltweite Allianz gegen den Terrorismus wurde gewünscht, und alle sind dabei - aber was Terrorismus ist, bestimmt natürlich ein/e jede/r selbst. Dass die Angriffe in den USA in diese Kategorie fallen, darüber kann man sich auch mit Ländern - Iran, Syrien, Libyen, eigentlich alle außer dem Irak - einigen, von deren Terrorismusbegriff einen sonst Welten trennen. Sogar die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah bedauerte "die unschuldigen Opfer des Anschlags", wenn schon nicht den Anschlag selbst. Für unsere Ohren mag das zynisch klingen, es sagt aber auch viel über das Selbstverständnis der Hisbollah aus: Für Terroristen halten sie sich jedenfalls nicht, genauso wenig wie ihre Schutzherren in Damaskus oder Teheran. Der Reflex, der besonders aus Israel kommt, die Angebote aus den bewussten Ländern einfach zu verwerfen, ist verständlich. Täglich selbst vom Terrorismus bedroht, hat man keine Nerven dafür, mit den zumindest ideologischen Unterstützern desselben Allianzen an einer anderen Front - die man gar nicht als "anders" identifizieren kann und will - einzugehen. Je nachdem, was die USA aber konkret vorhaben, kommen sie in die Bredouille, wenn sie diesem Reflex folgen. Selbstverständlich müssen sie den Konsens mit der islamischen Welt suchen, wenn sie den islamistischen Terror sinnvoll bekämpfen wollen. Diesem Konsens steht der israelisch-palästinensische Konflikt entgegen. Israels Ministerpräsident Ariel Sharon hat bereits jedes Entgegenkommen den Palästinensern gegenüber unter diesem Aspekt abgelehnt. Die AmerikanerInnen dürften das auch nicht von ihm verlangen, aber ihr Interesse an einer Beruhigung im Nahen Osten ist plötzlich riesengroß, auch wenn es sich noch nicht politisch artikuliert. (DER STANDARD, Print, 18.09.2001)