Die Ankündigung von ITech Women hat neben Engagement und Interesse für dieses Thema auch leise Alarmglocken ausgelöst. Meine spontane Assoziation: Typisch, Frauen dienen als Puffer am Arbeitsmarkt. Wenn es schwierig ist, qualifizierte Mitarbeiter zu bekommen, entdeckt man wieder die Fähigkeiten der Frauen. Man ist sogar bereit Abstriche an der Technologie und Arbeitsgestaltung vorzunehmen, um die Abläufe frauengerecht zu gestalten. Dabei sollte nicht übersehen werden, dass Frauen nicht nur Lückenfüller sondern ein echter Mehrwert für das Unternehmen sind. Gleichzeitig sollen Frauen als Bewerberinnen ermutigt werden, Ihr Anderssein nicht als Handicap sondern als Bereicherung für das Unternehmen wahrzunehmen und selbstbewusst einzubringen.

Häufig sind IT-Organisationen stark technikorientierte Monokulturen. Linkshirniges, detailiertes, analytisches, strukturiertes Denken ist vorherrschend. IT-Start-up-Organisationen sind oft geprägt von einer Burschenkultur, die durch kumpelhaft, rüden Umgangston geprägt ist. Hier können Frauen ganz wesentliche Bereicherungen in Richtung Change Management zu mehr Kundenorientierung leisten. Sie bringen aufgrund Ihrer biologischen Gehirnstrukturen systemisches Denken ein.

Die "Blaulichtkultur" der Start-Ups

Ich selbst wurde als Consultant einem IT-Start up-Unternehmen zur Seite gestellt: Zwei Geschäftsführer führten eine Organisation von 30 Männern und zwei Frauen im Office. Durchschnittsalter deutlich unter 30 Jahren. Als 40-jährige Frau war ich Fremdkörper – und konnte damit völlig neue Perspektiven einbringen. Nach der Phase des ersten rasanten Wachstums galt es, eine tragfähige, organisatorische Basis schaffen, auf dem sich Leistung entfalten und einen hohen Wirkungsgrad erzielen kann.

Die Unternehmenskultur war geprägt von der Hektik des Alltags. „As soon as possible“ war die häufigst gehörte Antwort. Die „ Blaulichtkultur“ lebte vom Nervenkitzel dringender, spektakulärer Einsätze, wo man sich völlig legitim über Regeln hinwegsetzen kann und wo es mit Improvisation immer wieder gelingt, Situationen um Haaresbreite zu retten. Die Jagdkultur ist auch heute noch weit verbreitet!

Boxenstopp

Dem mittel- und längerfristiges Denken und Planung entgegenzuhalten, wo Dinge routinemäßig gut laufen, hat auch einer Umdefinition von Erfolg und Leistung bedurft. Sich Zeit zum Nachdenken und für strategische Entscheidungen für die Zukunft zu nehmen, in eine tragfähige Basis zu investieren, gerade weil die Zeit so sehr drängt, ist leichter gesagt als getan. „Der Boxenstopp der Formel 1“ war eine Metapher für die Synthese zwischen Wunsch und Erfordernis nach Tempo und dem Fitmachen für die Zukunft.

Ein konkretes Beispiel: Ein Gewinnspiel war medial bereits groß angekündigt. Das rechtzeitige Fertigstellen der dazu erforderlichen EDV war gleichermaßen kritisch hinsichtlich Termin als auch Qualität und Zuverlässigkeit der Software. Alle arbeiteten mit höchstem Einsatz. Der Beta-Test, in dem User die Funktionalität der Softwarte testeten, musste in den nächsten 6 Wochen erfolgreich über die Bühne gehen. Ich setzte mit Nachdruck einen Planungsworkshop durch, in dem die Abläufe hinsichtlich der Entgegennahme und Bearbeitung des User-Feed-backs geklärt wurden.

Brandschutz-Philosophie

Die klaren Abläufe führten dazu, dass der Technische Leiter so weit freigespielt wurde, dass er sich auf das Controlling der Test-Phase konzentrieren konnte. Geplant war, dass sich interessierte User selbst zum Beta-Test melden konnte. Fast wäre dabei übersehen worden, dass damit nur Freaks die Software testen würden. Mit meiner Distanz reklamierte ich hinein, dass auch Normalverbrauchen in den Beta-Test einbezogen werden. Es lief tatsächlich ohne Blaulicht sehr professionell ab. Als geplanten Nebeneffekt lieferten die User auch noch positives Feed-back und Wünsche hinsichtlich der Weiterentwicklung der Funktionalitäten. Es hat sich absolut ausgezahlt, der „männlichen Blaulichtkultur der Feuerwehrmänner“ die durchaus weibliche „Brandschutz-Philosophie“ entgegenzuhalten.

Wertvolle Kompetenzen

Bei der Verleihung der Audit-Zertifikate „Beruf und Familie“ des Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen begründete ein Geschäftführer einer ausgezeichneten IT-Organisation seine Teilnahme an dem Verfahren mit den Worten „Das Thema Familie kommt auf uns zu.“ Deutlich zeigte seine Körpersprache, dass er dies – in Anbetracht des Alters seiner MitarbeiterInnen – als Bedrohung für das Unternehmen wahrnahm. Mehr der Not gehorchend setzte er sich mit Themen wie Teleworking und flexible Arbeitszeiten auseinander.
Übersehen hat er dabei, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht nur eine massive Belastung aller Betroffenen darstellt, sondern auch mit vielen sehr wertvollen Kompetenzen verbunden ist: Mütter, die nicht auf Ihr berufliches Engagement verzichten wollen und berufstätige Männer, die es sich nicht nehmen lassen wollen, auch in der Familie ihre Rolle aktiv zu gestalten, erfahren ein permanentes Intensivtraining bzgl. sozialer Kompetenzen und systemischen Denken in komplexen Beziehungsstrukturen.

Gerade Frauen neigen dazu, bei sich selbst die Nachteile und bei den anderen die Vorzüge zu sehen. Weiblichen Bewerberinnen möchte ich daher ans Herz legen, Ihr Frausein und Ihr Andersein selbstbewusst in IT-Organisationen einzubringen. Die zusätzlichen Perspektiven und die daraus resultierenden Synergiepotenziale sind für die Unternehmen ein großer Mehrwert. Auch Albert Einstein hat zum Ausdruck gebracht, dass er auf die Erkenntnisse aus der Auseinandersetzung mit Unterschiedlichkeiten zählt: „Wenn zwei Menschen immer die gleiche Meinung haben, ist einer überflüssig.“

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