von Cornelia Niedermeier
Wien -Am Anfang steht auch hier wieder das Wort. Meist nur eines: Ein Stichwort aus dem Publikum mag hinreichen, in den Köpfen der Theaterimprovisateure binnen Sekunden eine Geschichte entstehen zu lassen oder zumindest deren Beginn. Der Rest entspringt dem Moment. Und der raschen Reaktion. "¿moment!" war denn auch Wiens erstes internationales "ImproTheater Festival" betitelt, das drei Tage lang das dietheater Künstlerhaus bis auf die feuerwehrpolizeilich geschützten Stufen des Zuschauerraums quasi zum Platzen anfüllte. Die Auslastungsziffern während der rund 15 Veranstaltungen dürften durchschnittlich bei 120 Prozent gelegen haben.

Zumal in Anbetracht der geringen medialen Präsenz des Festivals und der theaterunüblichen Jugend des Publikums (Durchschnittsalter schätzungsweise zwischen 25 und 30 Jahren, also rund halb so alt wie, sagen wir, im Burgtheater, im Volkstheater, gar in der Josefstadt ...) scheint Aufmerksamkeit geboten: Hier ist offensichtlich eine Szene im Entstehen, die einem hochmotivierten Publikum, bei dem sich die Bühne sonst einer ähnlichen Beliebtheit erfreut wie der sonntägliche Kirchgang, gibt, was es vom Theater wünscht.

Sport: Meistercup der Wiener Theater

Was also ist geboten? Theatersport. Im Wiener Meistercup konkurrierten sieben Teams, von "Amerika" bis "Ottakring", um den "master of ?moment!". Drei Tage lang begegneten sich jeweils zwei per Losverfahren zusammengestellte Partnerteams im weißen Ring, um gemeinsam zehn Minuten lang zu improvisieren. Im Anschluss tagte die Jury - und das Publikum. Nach drei Tagen und 18 Runden stand der Sieger fest: die Großmacht aus Übersee.

Dort nämlich - in den USA und Kanada - entstand in Anlehnung an die Improvisations-Sessions des Jazz in den späten 50er-Jahren jene Form des entspannten, hellwachen Zusammenklangs mehrerer Spieler. Namhafte Akteure wie Dustin Hoffmann oder John Belushi gelten als versierte Impro-Stars. In den Neunzigerjahren begann die Uralt-Theatertechnik sich auch in Europa erneut durchzusetzen. Österreich stellt mit dem Grazer Theater im Bahnhof (TiB) den amtierenden Europameister, Linz trug im vergangenen Winter erstmals die Österreichischen Theatersport-Meisterschaften aus. Nun also Wien und international.

Neben dem Gastgeber u.r.Theater und fünf weiteren österreichischen Impro-Gruppen (TiB Graz, English Lovers, ImproMotion, Impro-X und Carpa Theater) waren drei Teams aus den USA (Unexpected Productions, Seattle), Kanada (Rapid Fire) und Deutschland (Fast Food) zu Gast.


Kurz- und Langformate

Zumal die Routiniers aus dem englischen Sprachraum und dem TiB zeigten die verblüffende Variationsbreite dieser Bühnenkunstform. Gespielt wird nach internationalen Regeln. Geboten werden Kurz- oder Langformate bis zu einer Stunde, auf Zuruf auch genremäßige Verfremdungen der Stoffe in Western-, Sitcom-, Musical-Tonfall. Agiert wird im weißen Bühnenring, requisiten- wie kostümfrei. Was zählt, sind allein slap- stickreife Körperartistik, Schlagfertigkeit, Assoziationsgabe, Fantasie. Und Technik. Improvisation zählt auch beim Mann am Klavier, der für den genreadäquaten Soundtrack sorgt.

Die Resultate: Augenblickskunstwerke der gelungenen Momente, witzigen Repliken, schnellen Genrewechsel. Puristisches Theater, reduziert auf seinen Antriebsmotor: die schiere Lust am Spiel, an Rhythmus, Komik, Reaktion. Demnächst wieder in Linz: Dort werden bereits im Dezember (4. 12. bis 7. 12) die Zweiten Österreichischen Theatersport-Meisterschaften ausgetragen. Beruhigendes Fazit: Das Theater lebt. Man muss nur wissen, wo. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 06.11. 2001)