Wohl aus Anlass der angespannten Weltlage verordnet die Burg ihrem Publikum ein vorzeitig verwittertes Frauenlustspiel: In "Damen der Gesellschaft" von Clare Boothe Luce lässt das Frauenensemble einmal so richtig den Ziervogel heraus.

Ronald Pohl

Wien - Frauen sind so. In der wunderbaren Welt der dramenliterarischen Auszehrung, wo die Patriarchen über die Weiber ihre viel zu großen Bannwörter sprechen - ihr "Kusch!", ihr "Heirate!", ihr "Stirb!" -, da laufen die Damen der jeweils herrschenden Gesellschaft, als die in Wahrheit von ihren Ehehälften Kujonierten, unter den tief liegenden Latten der über sie verhängten Herrscherwörter auf schmählich verkrüppelten Lügenbeinen durch.

Nichts wäre befremdlicher, als wenn die Damen auch noch anfingen, vor aller Welt wahr zu sprechen: Elektra, die sich keifend im Staub des mykenischen Königsschlosses wälzt, ist eine Peinlichkeit. Ibsens Hedda Gabler, aus der ein unklar gefühlter Lebensüberdruss in kleinen, exzentrischen Stickluftblasen mit einem Pistolenknall entweicht, ist ein Skandal.

Das Frauenstück Damen der Gesellschaft der leidlich emanzipiert gewesenen Betriebsdampfnudel Clare Boothe Luce, immerhin ein George-Cukor-Filmerfolg von anno 1939, ist ein wahres Amazonenmachwerk aus der Stadt New York: Es bündelt die Frauenpower, indem es die Allgegenwart männlicher Herrschaft, von der diese Wohlstandspüppchen mit ihren spitzen Schminkklatschmäulchen wie vom Grießberg naschen, zu nichts als einer Reihe reizender Sprechanlässe macht. Ein klarer Fall von Salondamenlogorrhö, ein müßiges Stochern im Nebel des Gerüchts: Küchenkumpanei im welken Boutiquen-schick.

Männer sind so, plappern diese New Yorker Upperclass-zicken unablässig. Sie sagen es in dem sicheren Bewusstsein, keinem von dem Pack auf offener Bühne begegnen zu müssen. Heddas altehrwürdige Vaterpistole weicht hier dem Konfettimörser: Ein paar Witzchen bekommt man geschenkt. Die Ziersingvogel-arien, zu der sich ein paar aufgekratzte Burgtheater-Miminnen in der Regie von Sven-Eric Bechtolf und Wolfgang Wiens herablassen, kann man sich indes getrost schenken. Denn diese schönen Vögel sind ja nur: Betriebsausflüglerinnen.
Amazonen wie diese lagern in Beautysalons. Ihr Mütchen kühlen sie an Schlammpackungen. Das Kreuz ihrer Schwangerschaften tragen sie als Stopfwollbauch vor sich her. Das Eheleid des fremdgehenden Gottgemahls, das Mrs. Steven Haines (Regina Fritsch) im Kreis ihrer hochgeputzten Intrigantinnen mit einer stillen Zähre im Augenwinkel brav erduldet, hat den Katastrophenwert einer südbosnischen Wasserstandsmeldung.

Wir begegnen: der komischen Königinnenalten (Barbara Petritsch); der schwer brütenden Fernmeldezentrale mit der bebenden Zigarettenspitze (Kitty Speiser); dem angestochenen Früchtchen mit der Pfirsichhaut (Heike Kretschmer); der Schminkmund-verziehenden Edeldomestikin, die jedes Gerücht wie eine rotlaufende Spottdrossel wunderbar falsch betonend nachsingt (Sabine Haupt, ein kleines Kunststück vollführend).
In die Burg fährt der Frohsinn ein: Aber er ist auch nur schön toupiert, dampfgebügelt, leichthin gelockt und mit aufgesteckten Kunstfedern gratisgekrönt. Die Bühne von Christoff Wiesinger erstrahlt dafür in Robert Wilsons schlimmsten Lutschbonbonfarben.

Nach dem schartekenhaften Duell der beiden Schiller-Königinnen nun also das Krisen- lustspiel. Die Burg ist gerade dabei, sich ein bisschen lächerlich zu machen.

(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.11. 2001)