Wien - Einar Schleef ist dem Vernehmen nach im Sommer einen einsamen Herztod in der Berliner Charité gestorben, ohne dass ihm die pekuniären Tröstungen einer ordentlichen Krankenversicherung zuteil geworden wären. Im Grunde hat sich dieser Einsame, der doch auf der Bühne wie kein anderer die Massen bewegt, die Texte der Alten zerkaut, die nackten Leiber in Raserei versetzt hat, ganz insgeheim, von niemandes Mitleid getröstet, aus unserer Welt davongemacht.Wie gedenkt man aber eines schlechthin unvergleichlichen Chorübungsleiters und thüringischen Dionysos, der seltsam unantastbar, dabei stotternd um Liebe werbend, durch die größten Theaterhäuser fuhr wie ein Blitz? Die Wiener Burg, wo er mit der Uraufführung von Jelineks Sportstück seinen nachhaltigsten Erfolg verbuchte, unternahm etwas sehr Angemessenes: Dramaturgin Claudia Hamm erfüllte das Haus und die leeren Wandelgänge mit einem Schleef-Flirren und Schleef-Weben, während zwei Chorspieler in Feinripp-Unterwäsche aus dem choreographischen Sportfundus zitierten ("Sieben, acht . . ."). Auf der Bühne rüstete das Ensemble, voran der Direktor und Frau Jelinek, zum Lesemarathon bis vier Uhr früh aus dem Jahrhundertbuch Droge Faust Parsifal : ein seliger Stafettenlauf der Stimmen, wobei man sich an Wolfgang Gassers sonorer Rezitation (zirka 22.30 Uhr) gar nicht satt hören wollte - die Stimme des Prometheus, den die Götter (Ulbricht, Honecker) an die rissige Felswand der DDR geschmiedet hatten. Somit bleibt als traurige Tatsache nur der Hinweis, dass Schleefs Berliner Rechtsvertreter, seines einsamen Todes eingedenk, sich eventuell an der Burg posthum schadlos halten wollen. Der erkrankte Schleef, der Anfang des Jahres in Wien die Nietzsche-Trilogie vorbereitete, sei um seine Probenpauschale als Schauspieler geprellt worden. Falsch, argumentiert Burgchef Klaus Bachler: Zu Schauspielproben sei Schleef, der bereits einen Regievertrag für das von ihm dreifach, als Autor, Regisseur und Akteur, gezeichnete Projekt besessen habe, gar nicht erschienen. Mit Änderungswünschen hätte er die Ausfertigung aller Verträge verhindert. Man hätte somit umdisponieren müssen; und im Sommer vergeblich versucht, ihn zu erreichen. Doch kein Anschluss unter dieser Nummer. Da war es zu spät. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6. 12. 2001)