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Foto: volkstheater.at
Wien - Am Buchmarkt boomt das Hörbuch. Die Auswirkungen davon erfassen jetzt auch die Bühne. Bei einer Hörspielproduktion von Martin Shermans Rose mit Monica Bleibtreu entstand die Idee, das Ganze auf der Bühne zu präsentieren. Jetzt ist die Produktion im Wiener Volkstheater zu Gast: als Hörtheater. In zwei Stunden kratzt sich Frau Bleibtreu einmal am Knie und einmal am Kopf. Einmal nimmt sie Tabletten, und ein paar Mal braucht sie einen Schluck Wasser. Sonst spricht sie (Regie: Adelheid Müther). US-Autor Martin Sherman lässt in Rose eine 80-jährige Jüdin ihr Leben erzählen. Auf einer Holzbank sitzend, vollzieht sie das rituelle jüdische Totengedenken. Sie trauert um ein kleines Mädchen, das vielleicht einen Stein auf israelische Soldaten geworfen hat und das deshalb erschossen wurde. Von Doron, dem Enkel der Erzählerin. Die Bluttat schließt den Lebenskreis von Rose: 1920 in der Ukraine geboren, später nach Warschau übersiedelt, hatte sie einst im berüchtigten Getto ihre kleine Esther verloren. Ein junger Nazi hatte sie aus schierer Lust am Töten erschossen. Vom Verlust der Tochter und ihres geliebten Mannes durch die Deutschen, von der Vereitelung eines Fluchtversuches nach Palästina durch die Briten hat sich Rose, auch als sie längst in den USA zur Hotelmanagerin aufgestiegen war, innerlich nie mehr erholt. Das ist menschlich ergreifend. Als offenkundig mitbeabsichtigter Versuch, Aufrüttelndes zum Thema Frieden im Nahen Osten zu sagen, wirkt es aber mindestens ebenso naiv wie als Sprechübung, die Theater sein will. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7. 2. 2002)