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JAEGER ROBERT/APA

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Wien - Die Szene ist ein Idyll. Eine einsame Bucht an der norwegischen See, darin ein altes Haus von - so Autor Jon Fosse - "verwitterter Anmut". Meeresrauschen, Möwenflug, Natur und wenig Mensch. Das Paradies war kaufbar, und es wurde gekauft. Von einem Paar. Mit der Ankunft der beiden setzt Jon Fosses Drama Da kommt noch wer ein. Eine Stunde etwa dauert die Vertreibung aus dem Paradies - keine lärmende Entzweiung ins Schweigen der Natur. Nein, leise Minuten zwanghaften Wahns. Der subtile Terror der Paarbeziehung, keiner singt ihn genauer als Fosse. Singt, und "eine Art Lied" nannte er Da kommt noch wer, eine melodische Strophenfolge mit Thema, Wiederholung und Variation. Minimalistische Obsessionen könnte man alle Texte des Norwegers Jon Fosse nennen, formalistische Spielereien auf den ersten Lese-Blick. Wenige Sätze, wenige Bilder werden gesprochen, zersetzt, verändert, wiederholt. "Keiner wird hier sein, nur ich und du." Bei genauerer Betrachtung aber entpuppen sich die Stücke als Konzentrat von beklemmender Intensität: Jeder Realismus, jede befreiende Nebensache fiel der Fixierung der Gedanken zum Opfer. Mit dem Zwang der emotionalen Besessenheit ziehen sie konzentrische Kreise um den Kernpunkt der Angst. "Keiner wird hier sein, nur ich und du", "Du und ich allein", "Nicht nur allein, sondern allein zusammen" - das Thema ist angeschlagen und mit ihm die Furcht, schon im Titel: Da kommt noch wer. Eifersucht als Paranoia schleppt das Paar in das entlegene Idyll. Und der da noch kommt, Der Mann, wird in der Logik des Zwangs zum gefürchteten Eindringling. De facto ist der junge Mann nur der Nachbar, Verkäufer des Hauses, in dem seine Großmutter wohnte, gekommen, das Gebäude zu erklären. Für das Paar verkörpert er die zerstörerische Außenwelt. Gerade in der permanenten Repetition, gerade in der unüberbietbaren Einfachheit (oder genauer: Banalität) der Sätze gelingt Fosse schon in seinem ersten Drama jenes Kippen der Künstlichkeit in einen inneren Realismus des Gefühls. Geradezu archetypisch spürt das Stück die Mechanismen der Eifersucht auf. Georg Schmiedleitners behutsamer Regie am Volkstheater gelingt das Kunststück, das Fossesche Lied von der Eifersucht zum Klingen zu bringen. Er lässt den Sätzen die brütende Stille, aus der sie hervorgehen. Er nimmt den Raum zurück auf die Andeutung eines Hauses (Bühne: Florian Parbs), dämpft das Licht. Melodie des Wahns Alle Konzentration gilt den Darstellern, Ihr und Ihm, Birgit Doll und Wolfgang Hübsch, als gealterte Althippies kostümiert, weiße Vokuhila er, blondiertes Girlie sie. Zuletzt dem Mann, Raimund Merker im Kapuzenpulli. Die modische Ausstattung (Kostüme: Thomas Oláh) ist zwar bunt, doch überflüssig, denn der Konflikt ist zeitlos, und es sind vor allem die Stimmen der drei, die die wahnhafte Melodie des Textes ertönen lassen. Überflüssig ist auch, dass Birgit Dolls Sie tatsächlich ein Auge wirft auf den jungen Mann. Der Text gibt keinen Hinweis. Und die wahre Paranoia bedarf keiner realen Nahrung. Im Gegenteil. Insgesamt aber ein Abend von beachtlicher Konzentration. Und Jon Fosse um einiges näher als der unpräzis geträumte Traum im Herbst am Akademietheater. (Cornelia Niedermeier - DER STANDARD, Print, 26.02.2002)