London - Die bekannteste britische Theatertruppe sucht
einen neuen Chef. Adrian Noble, der künstlerische Direktor und
Geschäftsführer der Royal Shakespeare Company, tritt nach zwölf
Jahren zurück. Seinen im März auslaufenden Vertrag will er entgegen
früherer Planung nicht mehr verlängern.
"Ich bin sehr überrascht, empört und enttäuscht über die
konservative Haltung meiner Branche und auch der Presse", sagte er
dem "Guardian" vom Donnerstag. Als Nachfolgekandidaten für
Nobles Posten gelten der Oscar-Preisträger Sam Mendes und der
profilierteste englische Shakespeare-Darsteller Kenneth Branagh.
"Hände weg von unserem
Willy"
Der 51-jährige Noble hat die größte Reform der Theatergesellschaft
seit ihrer Gründung im Jahr 1961 eingeleitet. Auf besonders heftigen
Widerstand ist sein Vorhaben gestoßen, das bisher als Denkmal
geschützte Stammhaus des Ensembles in Stratford-upon-Avon abzureißen
und durch ein 100 Millionen Pfund (163 Mill. Euro) teures
"Theaterdorf" zu ersetzen. Kritiker werfen ihm vor, er wolle damit
einen Shakespeare-Freizeitpark begründen. "Hände weg von unserem
Willy", hieß es auf Plakaten.
Auch die Entlassung von Beschäftigten und das Aufgeben eines
festen Theaters in London wurden Noble angelastet. Er selbst
verteidigt dies als notwendige Anpassung. Er verweist darauf, dass er
ein Defizit von 3,5 Millionen Pfund abgetragen und so die
finanzielle Zukunft der Gesellschaft gesichert habe.
Freiheit durch "Chitty Chitty Bang
Bang"
Der Zeitpunkt
der Rücktrittsankündigung kam für viele Beobachter überraschend. Ein
Grund dafür könnte sein, dass Noble durch den großen Erfolg des
vergangene Woche angelaufenen West End-Musicals "Chitty Chitty Bang
Bang" nicht mehr auf die Royal Shakespeare Company angewiesen ist.
Als Regisseur ist er an den Einnahmen der auf Monate hin
ausverkauften Produktion beteiligt. (APA/dpa)