Gesine Danckwart, "author in residence" am Schauspielhaus, präsentiert in einer Installation Texte aus ihrer Arbeit "Heißes Wasser für alle". Wien - Heutzutage fällt der Mensch in die Welt wie in einen Supermarkt voll trügerischer Verheißungen. Im Angebot steht schon seit langem, spätestens seit man im globalen Dorf Logis bezogen hat, dass man alles sein und haben kann. Dürfen darf ein jeder. Und unter diesen viel versprechenden Bedingungen spielen Menschen die pausenlos zur Existenz motivierten und daran scheiternden Lockvögel. Gesine Danckwart hat Stimmen gefunden, die in immer wieder neuen Anläufen von diesem Leben erzählen, als endlose Reihe ökonomisch-existenzieller Momente: Das Leben müsse man jetzt in den Griff kriegen, vielleicht sogar ein bisschen mehr, was Neues ausprobieren. Am Ende des Tages war es dann aber nur ein Lippenstift oder der neue Melonengeschmack von Fanta. Die Männer und Frauen heißen "Sesam" oder "U vielleicht Ultra" oder sind - wie im am Schauspielhaus nun vermittelten Text Heißes Wasser für alle - keine namentlich gekennzeichneten Figuren mehr, sondern eine Stimmenvielfalt. Der Theaterärger Die auf dem Land bei Lübeck aufgewachsene Schriftstellerin und Theatermacherin (32) arbeitet seit letztem Herbst bei Airan Berg und Barrie Kosky als "author in residence" am Haus in der Porzellangasse. Berg lernte sie bei ihrem ersten Wien-Aufenthalt gleich nach der Matura am Burgtheater kennen, bevor sie nach Berlin zog und dort Theaterwissenschaft studierte, eine Theaterformation gründete, schauspielte, inszenierte und sich lange Zeit, ohne die Absicht, selbst zu schreiben, über moderne Theaterstücke ärgerte: "Unser gesamtes Weltbild hat sich geändert, aber wir arbeiten uns immer noch an so Restbeständen ab. Auf welche Figuren im Theater beziehen wir uns eigentlich?! - Auf das bürgerliche Trauerspiel oder Shakespeare oder wat? Die Konfliktsituationen interessieren mich nicht, wo zwei Positionen aneinander geraten und sich fortentwickeln und verändern, in meinem Text ist es anarch." Seit ihrem bisher größten Erfolg, Täglich Brot , einem Text über die moderne Arbeitsgesellschaft, wird deutlich, dass sich das dramatische Werk Danckwarts mehr und mehr zu einem chorischen Monolog verfügt. Nach dem Party-Vorbereitungs-Talk in Girlsnightout beginnend bei Überall in der Badewanne wo nicht Wasser ist über Traummaschine , Arschkarte und Summerwine . Denn: "Ich gehe in meiner Arbeit von einer unsortierten Weltlage aus, von einer Welt, die scheinbar sehr einfach oder platt ist. Der Verlauf einer Geschichte interessiert mich nicht, nicht die naturalistisch-dialogische Wechselrede, diese gibt es auf anderer Ebene, zwischen Innen- und Außenperspektive zum Beispiel." Genau dieses Ineinandergreifen von Inhaltlichem und Formalem macht Danckwarts Texte zu ungewöhnlich zeitgenössischen. Kraft eines im Gespräch unschwer zu erkennenden Gespürs für jene (aus einem marktwirtschaftlich determinierten Umfeld abgeleiteten) Mikroabläufe, welche den Alltag eines Individuums ausmachen: "Es ist ein äußerst schwieriger Vorgang, die Informationen, die ein heutzutage normal vernetzter Mensch erhält, zu sortieren; in der neuen Arbeitswelt, mit dem Wissen um Krisen oder Kriege, auf die man nicht reagieren kann. Man steht zugleich aber unter dem Druck, eine Position zu ergattern." Deshalb müssen sich Danckwarts Figuren auch immer wieder von der eigenen Kraft überzeugen, Mut schöpfen und sagen (nachdem sie mit der Rasiercreme namens "Gute Zeiten Schlechte Zeiten" den Tag in Angriff genommen haben): "Ich werde schon gut sein." Mit einem überdimensional großen, aufblasbaren, begehbaren (!) Esso-Tiger wollte Gesine Danckwart das Leben, das sie kennt, kunstvoll "erhöhen". "Ich arbeite gern mal woanders. Obwohl, Winter in Wien - das ist nicht so einfach." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2. 5. 2002; für Archivierung adaptiert)