Wien - Grenzgenial die Szene, in der Priscilla Presley die langgeschwungene Treppe herunterschwebt, einer Königin gleich. Dann flutscht sie aber plötzlich nach unten aus dem Bild, weil ausgerutscht, und rattert den Rest der Stiege auf ihrem Popo runter. Echte Cineasten werden sofort erkannt haben, vom epochalen Streifen Die nackte Kanone ist die Rede bzw. Schreibe; echte Musikfreunde werden sich fragen: warum? Nun: Man könnte Kirke Mechems Tartuffe mit gutem Grund als "Die nackte Kanone" der Oper beschreiben. Der 1925 geborene Amerikaner surft in seinem komischen Werk durch drei, nein, sagen wir lieber vier Jahrhunderte Operngeschichte, amalgamiert und persifliert die besten Szenen, Momente und Stimmungen der Herren Monteverdi, Mozart, Puccini, Wagner et alii. So etwas nennt man "Eklektizismus", und das ist auch gar nichts Schlechtes, wenn es denn gut gemacht ist, und bei Mechem ist es das. Peter Pawliks Inszenierung trägt dem Witz und der Lebendigkeit von Musik und Libretto (ja, natürlich nach der Komödie von Molière) Rechnung, alles flattert, turtelt und tuschelt, rollt mit den Augen oder schlägt selbige nieder. Die diversen Charaktere der Posse, sie haben auch wirklich welchen: beim Schauspielerischen also alles wunderbar. Wenn es nur beim Sängerischen ebenso wäre! Mechem hat da nämlich Arien gebastelt, für die ihm eigentlich die Füße zu küssen wären, leider aber erschöpft sich vor allem der musikalische Beitrag der Herren (Rupert Bergmann, Jan Leibnitz, Wolfram Igor Derntl) in wahlweise pressender oder gackernder Schreierei; einzig Tae-Hyun Kim überzeugt als Tartuffe mit einem würdigen Bariton. Solide die Damen (Anne Millea, Beatrice Louw, Annika Fransson, Sulie Girardi), akkurat und schmissig das Dirigat Daniel Hoyem-Cavazzas. Ein finales Bravo sei den Kostümen Tanja Hausners hinterhergerufen: Sie steckte das Komödienpersonal in eine lustige Mischung aus Punk, Flohmarkt und 17. Jahrhundert - Hl. Vivienne, schau oba. Als Meisterstück erwies sich ihr Valère: Sir Elton John am Höhepunkt seiner Kostümmanie. Priscillas Pudel (um den Kreis zu schließen). Wau. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11./12. 5. 2002)