Drei Modelle bietet Xiaomi zum Start an. Das Topmodell lädt die Batterie in knapp 20 Minuten von 10 auf 80 Prozent.
AFP/MICHEAL ZHANG

Mintfarbene Lackierung, gewölbte Fronthaube und flache Windschutzscheibe – das sportliche Design des SU7 des chinesischen Tech-Konzerns Xiaomi erinnert an Modelle von Porsche und Tesla. Das neue E-Auto markiert den Einstieg eines weiteren Riesen in den umkämpften Markt, dem zwar Wachstum prognostiziert wird – doch könnte so der Kuchen für bestimmte Hersteller allerdings aufgrund des Gedränges auch kleiner werden. Aktuelles und prominentes Beispiel für die Schwierigkeiten im E-Auto-Markt ist derzeit mit Sicherheit der US-Konzern Tesla, der sich mit sinkender Nachfrage und schwächelndem Börsenkurs herumschlagen muss. Apple hat überhaupt schon vor dem ersten fertigen Auto resignierend den Schraubenschlüssel ins Eck geworfen.

Bei Xiaomi sehen die Vorzeichen für den Markteintritt aktuell rosiger aus. Um satte 16 Prozent schnellte die Aktie des chinesischen Tech-Konzerns Xiaomi am Dienstag hoch, nachdem man vergangene Woche die Vorbestellung für den SU7 ermöglichte. Damit stieg der Wert des Unternehmens an nur einem Tag um rund vier Milliarden Dollar, womit man traditionelle Autohersteller wie Ford und General Motors überholte.

Doch warum löst dieser Neueinsteiger in den Markt solch einen Hype aus? Es sind wohl vor allem die ersten Versprechungen, die Xiaomi CEO Lei Jun in einer zweieinhalbstündigen Präsentation der Welt mitteilte, und die Berichte der ersten begeisterten Testfahrer. Angefangen bei einer innovativen Technik bis hin zu einem kompetitiven Preis scheint der primär für Smartphones bekannte Hersteller ein sehr starkes Produkt abgeliefert zu haben.

Technische Details

Rein optisch überrascht das Auto nicht. Die Frontscheinwerfer, die weit nach hinten reichen, verfügen über LED-Streifen. Auf Vorder- und Rückscheibe sind Lidar-Sensoren (Light Detection and Ranging) verbaut, die, wie mittlerweile in der Branche üblich, unter anderem für die optische Abstands- und Geschwindigkeitsmessung genutzt werden. Die Rückseite wirkt mit aufklappbarem Mini-Spoiler und durchgehenden Leuchten sportlich.

Der SU7 ist 4,99 Meter lang, 1,96 Meter breit und 1,45 Meter hoch. Der Radstand bemisst sich auf exakt drei Meter. Das Basismodell verfügt über einen Heckantrieb und beschleunigt von 0 auf 100 km/h in 5,3 Sekunden. Die Reichweite beträgt laut Xiaomi 700 Kilometer.

Drei Modelle werden aktuell Vorbestellern angeboten. Neben dem Basismodell mit einem 220-kW-Motor gibt es noch die Pro-Variante, die über die stärkste Batterie verfügt, die sogar 830 Kilometer tragen soll. Zu guter Letzt gibt es noch die Max-Variante, die über Allrad verfügt und dank der 495 kW in 2,8 Sekunden auf 100 km/h beschleunigen kann.

In ebendieser Version wurde auch eine Qilin-Batterie des chinesischen Konzerns CATL mit 800-Volt-System verbaut, die über eine besonders hohe Energiedichte verfügt, deshalb mehr Leistung auf weniger Raum ermöglicht und laut Xiaomi zudem ein Laden von zehn auf 80 Prozent in lediglich 19 Minuten ermöglichen soll. Die Basisversion verfügt lediglich über ein 400-Volt-System. Dafür ist der Kofferraum in der Basisvariante (514 Liter) größer als in der Max-Version (493 Liter),

Preise Xiaomi SU7
Preislich liegt man knapp unter der Konkurrenz. Laut CEO macht man mit jedem verkauften Auto in diesem Jahr ein sattes Minus.
Areanev.com/Xiaomi

Im Innenraum sorgen Leder und das Fehlen scharfer Kanten für ein edles Ambiente. Während die digitale Tachoanzeige klein ausgefallen ist, überzeugt das voluminöse 16,1-Zoll-Touch-Display für diverse Einstellungen des Autos und das Infotainment-System. Die Software ist Xiaomis HyperOS, das intern entwickelt wird und sowohl im SU7 als auch in Smartphones des Tech-Konzerns eingesetzt wird.

Die Smartphone-Integration ist laut der Plattform "Telescope" wohl auch deshalb im Vergleich zur Konkurrenz auf einem "nächsten Level". Auf dem Touch-Display des Autos kann man sich das eigene Smartphone – sofern es von Xiaomi ist – spiegeln lassen und jede App nahtlos starten. Zudem erlaubt das Infotainment-System, bis zu drei Apps gleichzeitig anzuzeigen. Beispielsweise kann so die Lieblings-Musik-App auf dem Screen des Autos fixiert werden und daneben noch das Navi sowie ein Info-Bildschirm zum Auto angezeigt werden.

Wer beispielsweise ein Tablet besitzt – es funktioniert nach dem Download einer Xiaomi-App auch das iPad von Apple –, kann diese in die Halterungen der Vordersitze einsetzen. Damit sind sie mit der Fahrzeugelektronik verbunden und ermöglichen etwa das Vorschieben des Beifahrersitzes oder das Eingeben des nächsten Ziels im Navigationssystem des Autos. Apps wie WeChat oder Douyin können auf den hinteren Sitzen auf diese Weise natürlich ebenso gestartet werden. Untypisch und beim Model 3 von Tesla gar nicht vorhanden sind physische Tasten, sowohl auf der Mittelkonsole als auch – sofern gewünscht – unter dem Touchscreen. Diese werden zum Großteil als zukaufbare Extras angeboten, genau wie GoPro-Halterungen im Innenraum oder zusätzliche Lidar-Sensoren.

KI-gestützt sind diverse Funktionen des Autos natürlich auch, etwa das verbauten Radarsystem, das die Umgebung mit elf Kameras und zusätzlichen Radargeräten scannt. Damit wird die Umgebung im Bereich von fünf Zentimeter bis 250 Meter rund um das Auto erfasst. So soll automatisiert und den Fahrer unterstützend eingegriffen werden, wenn beispielsweise eine Gefahr erkannt wird. Eine richtige Fahrassistenz, bei der die Hände auch vom Lenkrad genommen werden dürfen, will die Software bis Ende des Jahres anbieten.

Leder und abgerundete Kanten zeichnen ein edles Interieur. Physische Tasten sind bei den meisten Modellen ebenfalls im Preis inbegriffen.
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Xiaomi SU7
Auf dem 16,1 Zoll großen Display kann man sich mehrere Apps nebeneinander anzeigen lassen.
Telescope/Youtube

Starker Andrang

Beim Preis sei man derzeit "nicht kostendeckend", verriet der Xiaomi-CEO. Umgerechnet rund 10.000 Dollar würde man pro Auto aktuell Minus machen. Nur so sei ein Preis von 28.000 Euro für das Basismodell möglich. Damit liegt man knapp unter dem Tesla Model 3, das in China etwa 31.000 Dollar kostet. Das Topmodell startet bei umgerechnet rund 39.000 Euro.

Knapp 90.000 Autos wurden in den ersten 24 Stunden vorbestellt, ließ Xiaomi kurz nach der Präsentation wissen. Die Wartezeit liege deshalb aktuell bei rund sechs bis sieben Monaten – kann das Werk in Peking doch maximal 150.000 Autos pro Jahr herstellen. Noch im April würden dennoch die ersten Autos an Erstbesteller ausgeliefert, verspricht der chinesische Konzern. Wer sich jetzt erst für den Kauf entscheidet, wird aber wohl erst 2025 sein Modell in Empfang nehmen können.

2024 Xiaomi SU7 Interior and Exterior in details 4K
Auto 4K

Beeindruckend ist in jedem Fall die Selbstsicherheit, mit der Xiaomi in den Markt drängen will. Während der Konzern in Europa vor allem als Smartphone-Hersteller bekannt ist, wird für das Heimatland China vom Staubsaugerroboter über Belichtungen bis hin zu TV-Geräten und smarten Lautsprechern alles produziert. So verwundert es auch nicht, dass der Tech-Konzern noch in diesem Jahr die bestehenden rund 50 Schauräume für den SU7 auf über 200 erweitern möchte, um möglichst vielen Chinesinnen und Chinesen die Möglichkeit zu geben, im ersten Auto des Smartphone-Herstellers Probe zu sitzen.

Die ersten Testfahrer zeigen sich in jedem Fall beeindruckt vom Einstand. "Würde man mir die Augen verbinden und mich hier reinsetzen, ich würde sagen, ich sitze in einem neuen E-Auto von Audi", schwärmt etwa der Tech-Reporter von "Telescope". Es seine eine "sehr runde Sache", die eigentlich keine Schwächen zeigt. Das sei ungewöhnlich und beeindruckend für ein "Erstauto eines Smartphone-Herstellers". Einzig die "fehlende Innovation" wird angekreidet. Man habe sich sowohl beim Außendesign als auch beim Lenkrad sehr an Porsche bedient, meint der Autotester.

Computer auf Rädern

Es sprechen deshalb viele Dinge für den Erfolg des ersten E-Autos von Xiaomi. Die Marke ist über die chinesische Grenze hinweg bekannt, die Tatsache, dass E-Autos auch "Computer auf Rädern" genannt werden, erleichtert für einen Tech-Konzern wie Xiaomi die Umsetzung offenbar ebenfalls. Zudem scheinen die Kriegskassen gefüllt zu sein, wenn man mit einem vergleichsweise niedrigen Preis in den Markt drängen will.

Wann und ob das Auto auch außerhalb von China erscheinen wird, ist derzeit noch unklar. Nachdem andere große E-Auto-Hersteller wie BYD beispielsweise Europa als Markt erkannt haben und sehr aggressiv in diesen drängen, scheint eine Veröffentlichung zumindest nicht ausgeschlossen, speziell wenn der erste Ansturm aus China ein wenig abebbt.

Am Ende scheint der Eintritt von Xiaomi vor allem die Vormacht der chinesischen Hersteller in diesem Bereich weiter zu stützen. Es bleibt abzuwarten, wie sich Autohersteller aus den USA und Europa dieser Übermacht in den kommenden Jahren noch entgegenstellen wollen. (Alexander Amon, 5.4.2024)