Seit 2020 betreibt Michael Helml gemeinsam mit seinem Bruder Thomas das Caffe vom See Bar und Expedit.
Seit 2020 betreibt Michael Helml gemeinsam mit seinem Bruder Thomas das Caffe vom See Bar und Expedit.
Michael Steingruber

Alles startete in der Villa Verdin. Vor zehn Jahren begannen die Brüder Michael und Thomas Helml, für die Gäste in ihrem kleinen, feinen Hotel am Millstätter See Kaffee zu rösten. Es war nie geplant, diesen zu verkaufen. Doch das Feedback auf die hauseigene Mischung war zu gut. Immer mehr Leute wollten den Kaffee als Mitbringsel nach Hause mitnehmen. Seit sechs Jahren verkaufen die Helmls also ihre Röstung an Geschäfts- und Endkunden. 2020, während des ersten Lockdowns, eröffneten die Brüder auch ein Lokal im fünften Bezirk in Wien. Dort kostet der Espresso unschlagbare 1,50 Euro. Michael Helml verrät, ob sich das für sie rechnet, welche Parameter den Preis für die Bohnen bestimmen und was den perfekten Kaffee ausmacht.

STANDARD: Herr Helml, warum kostet bei Ihnen der Espresso nur 1,50 Euro? Das ist äußerst ungewöhnlich hier in Wien.

Helml: Unser Standort hier in der Kettenbrückengasse ist eine Art Café, aber auch ein Expedit, in dem wir unsere Onlinebestellungen abwickeln. Die Einrichtung ist sehr schlicht gehalten. Alles soll niederschwellig sein – auch die Preise! Es geht uns nicht darum, maximalen Profit zu erzielen. Die Leute sollen unseren Kaffee kosten. Bei 1,50 Euro für einen Espresso überlegt man nicht lange, ob man sich den gönnen soll.

STANDARD: Die Kundschaft freut's, aber rechnet sich der günstige Verkaufspreis auch für Sie?

Helml: Wir als Rösterei machen eine Gesamtkalkulation. Wir leben zu einem großen Teil vom Verkauf von Kaffeebohnen an andere Gastronomieunternehmen, Bürokunden und so weiter. Das macht etwa 70 Prozent unseres Gesamtumsatzes aus. Der Rest kommt aus unserem eigenen gastronomischen Angebot. Wenn man das alles zusammennimmt, geht sich das definitiv sehr gut aus.

STANDARD: Das impliziert, dass der Mitbewerb enorme Margen auf den Kaffeegetränken hat, wenn man sich die Vergleichspreise für Espresso und Co ansieht.

Helml: Wie andere Anbieter kalkulieren, kann ich nicht beurteilen. Da gibt's ganz unterschiedliche Konstrukte, zum Beispiel die kleinen schicken Coffeeshops. Die müssen natürlich auch die teure Einrichtung mitberechnen. Große Ketten wie Eduscho funktionieren wieder völlig anders. Uns ist jedenfalls auch wichtig, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gut zu entlohnen. Ein interessanter Nebeneffekt der günstigen Kaffeepreise hier im Laden ist, dass die Kundschaft spendabel ist, was das Trinkgeld angeht.

"Wenn man alles zusammennimmt, geht sich das definitiv sehr gut aus" – Michael Helml

STANDARD: Bei solch günstigen Preisen sind vielleicht manche Leute skeptisch, was die Qualität anbelangt?

Helml: Wir haben nicht nur lokale Kundschaft. Auch viele Touristen zieht es vom Naschmarkt zu uns. Das liegt wahrscheinlich an vielen positiven Google-Rankings, die sowohl die gute Qualität als auch den unschlagbaren Preis unseres Kaffees loben. Mein Bruder Thomas ist für die Röstung zuständig. Wir sind beide Espressoliebhaber und wollten ausbalancierten Kaffee, der kräftig aromatisch ist, wenig Säure hat, als Schwarzkaffee gut funktioniert, aber auch im Milchkaffee. Nach vielem Suchen sind wir auf Hochland-Arabica gestoßen. Der Prozess zog sich über zwei oder drei Jahre. Wir müssen aber immer nachjustieren, weil keine Ernte der anderen gleicht.

Die eigene Röstung besteht aus Hochland-Arabica- und Robusta-Bohnen.
Die eigene Röstung besteht aus Hochland-Arabica- und Robusta-Bohnen.
Michael Steingruber

STANDARD: Zuletzt machten die Rekordpreise für Kakaobohnen Schlagzeilen. Werden auch Kaffeebohnen immer teurer?

Helml: Ausschlaggebend ist vorrangig, wie ertragreich die Ernte ausfällt. Dann spielen natürlich auch Transportkosten eine Rolle. Eine Sorte unserer Kaffeemischung kommt aus Uganda. Aufgrund der Angriffe durch Huthi-Rebellen im Roten Meer werden die Bohnen nun über einen weiten Umweg um das Kap der Guten Hoffnung verschifft. Das lässt die Preise steigen. Das stellt uns vor Herausforderungen bezüglich des Weiterverkaufs an Geschäftskunden. Bis jetzt kamen wir ohne Preiserhöhungen durch, aber es kann sein, dass wir hier adjustieren müssen. Die Verkaufspreise für Endkonsumenten hier im Café möchten wir so lange wie möglich auf dem aktuellen Niveau halten. Zurzeit verlangen wir im Gegensatz zu anderen auch keinen Aufschlag für einen zusätzlichen Shot Kaffee oder Hafermilch. Aufgrund unserer demokratischen Preisgestaltung gibt es aber auch keine Treuepässe oder Ähnliches.

STANDARD: Trinken Ihre Kunden und Kundinnen den Espresso typisch italienisch "al banco" an der Bar oder sitzen sie länger im Lokal?

Helml: In Italien wird ja ein Aufschlag für den Service am Tisch verlangt. Die günstigen Espressopreise gibt's nur "al banco". Bei uns macht es keinen Unterschied, wie lange jemand hier bleibt. Einige verbringen mehrere Stunden bei uns, haben den Laptop dabei und arbeiten. Aber "Coffee to go" ist auch ein wichtiges Thema. Wobei das natürlich weniger den Espresso betrifft, sondern eher Cappuccino und Ähnliches.

Caffe vom See, Michael Helml
Der Kaffee wird an Geschäfts- und Endkunden verkauft.
Michael Steingruber

STANDARD: Was macht für Sie persönlich den perfekten Kaffee aus?

Helml: Ich bin ein Fan des italienischen Espresso mit schokoladigen Kakaonoten. Er darf auch gerne ein bisschen Säure haben. Die soll sich aber wieder rasch verflüchtigen. In der Früh trinke ich auch gerne mal auch Cappuccino oder Verlängerten, aber sonst untertags dann eigentlich nur Espresso – und davon sicherlich einige. (Michael Steingruber, 5.4.2024)