Fünfundfünfzig Jahre ist es her, da betraten zum ersten Mal Menschen einen fremden Himmelskörper. Die erste astronautische Mondlandung 1969 war eine epochale Premiere, die kaum jemanden auf der Erde kaltließ. Was sich zunächst wie ein neues Kapitel der Menschheitsgeschichte ausnahm, fand aber schon bald ein unspektakuläres Ende.

Mit Apollo 17 verließ nur drei Jahre später der bis heute letzte Mensch den Mond, die Erkundung des Weltraums ist seither wieder Sonden und Robotern vorbehalten. Der Wettlauf zum Mond als außerirdisches Kräftemessen im Kalten Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion war entschieden, um den Erdtrabanten wurde es wieder ruhig. Ambitionierte Pläne, Menschen zum Mars zu schicken, wurden nie wirklich konkret. Raumfahrerinnen und Raumfahrer pendeln Jahrzehnte nach den astronautischen Mondlandungen allenfalls zu Stationen im Erdorbit, wenige Hundert Kilometer über unserem Planeten. Den Aufbruch ins All hatte man sich vor einem halben Jahrhundert wohl anders vorgestellt.

Mond
Nach dem Kalten Krieg wurde es lange ruhig um den Mond. Heute erlebt die Erkundung des Erdtrabanten eine Renaissance.
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Dauerhafte Mondstationen

In jüngster Zeit ist aber große Bewegung in die Raumfahrt gekommen. Ein neuer Wettlauf zum Mond ist entbrannt, der nur wenig mit den früheren Unternehmungen gemein hat. Diesmal sind es nicht nur große Weltraumplayer, auch aufstrebende neue Weltraumnationen und private Unternehmen haben den Erdtrabanten im Visier. Ihnen allen geht es nicht nur darum, der Welt technische Fähigkeiten zu beweisen und prestigereiche Forschung zu betreiben: Im Vordergrund stehen wirtschaftliche und strategische Überlegungen. Es geht um Ressourcen – und das hat Folgen.

Am fortgeschrittensten sind derzeit die Pläne der USA und Chinas. Beide Nationen wollen in den kommenden Jahren Menschen auf den Mond bringen und voneinander unabhängig dauerhafte Infrastrukturen auf und um den Mond errichten. Eine geopolitische Lagerbildung ist dabei nicht zu übersehen: Beide Länder wollen ihre Mondprojekte jeweils gemeinsam mit Verbündeten umsetzen und sich strategische Vorteile im All sichern.

Nasa, Orion, Mond
2022 flog das neue Nasa-Raumschiff Orion erstmals Richtung Mond, noch ohne Besatzung. Das soll sich im kommenden Jahr ändern.
IMAGO/UPI Photo

Die US-Weltraumbehörde Nasa plant gemeinsam mit der europäischen Weltraumorganisation Esa sowie den Weltraumagenturen Japans und Kanadas eine Raumstation in einer Mondumlaufbahn. Dieser sogenannte Lunar Gateway soll als Basiscamp dienen, von dem aus Menschen per Landefähre zur Mondoberfläche gelangen können. Die Nasa setzt auch intensiv auf kommerzielle Firmen, die als lunare Spediteure und Weltraumtaxis die Transportkosten zum Erdtrabanten senken sollen. China treibt indes gemeinsam mit Russland und weiteren Partnern Pläne für eine eigene Mondstation voran: Die International Lunar Research Station (ILRS) soll in den kommenden Jahrzehnten stufenweise aufgebaut werden und letztlich dauerhaft bewohnbar sein.

Ökonomischer Faktor

Beide Stationen sollen in den 2030er-Jahren in Betrieb gehen, aber schon jetzt herrscht beim Mond Hochbetrieb. Allein im Jänner und Februar dieses Jahres gab es drei Mondlandeversuche, zwei davon schrieben Geschichte: Im Jänner brachte Japan erstmals einen eigenen Lander auf den Mond, im Februar gelang dem US-amerikanischen Unternehmen Intuitive Machines die erste kommerzielle Landung. Zuvor hatten es nur die staatlichen Weltraumagenturen der USA, der damaligen Sowjetunion, Chinas und vor kurzem auch Indiens heil auf den Erdtrabanten geschafft. Die Beförderung der ersten privaten Mission erledigte ebenfalls ein Unternehmen, der Mondlander hob mit einer Falcon-9-Trägerrakete von Space X des Technologie-Milliardärs Elon Musk ab.

Die nächsten Flüge lassen nicht lange auf sich warten. Mehr als 20 Mondlandungen sind in den nächsten zwei Jahren vorgesehen, darunter sind etliche private Starts: Die Nasa hat bis 2028 rund 2,5 Milliarden Euro für Mondservices privater Anbieter veranschlagt. Auch Chinas nächste Mondmission steht schon in den Startlöchern, nach erfolgreichen Landungen 2013, 2018 und 2020 soll die Mission Chang’e 6 im Mai starten und Proben auf der Rückseite des Mondes einsammeln.

Artemis 2, Victor Glover, Reid Wiseman, Christina Koch und Jeremy Hansen.
Die Crew von Artemis 2 (v. li.): Victor Glover, Reid Wiseman, Christina Koch und Jeremy Hansen
EPA/CRISTOBAL HERRERA-ULASHKEVIC

Lunare Goldgräberstimmung

Bis 2030 will China auch Menschen auf den Mond bringen, die USA dürften aber schneller sein: Im Herbst 2025 soll eine Nasa-Crew in eine Umlaufbahn des Mondes fliegen, darunter erstmals auch eine Astronautin. Sie sollen das neue Raumschiff Orion testen. Wenn alles klappt, will die Nasa ab 2026 wieder astronautische Landungen durchführen.

Aber wozu der ganze Aufwand, was hat der Mond zu bieten? Zunächst einmal gilt der Erdtrabant als logische Zwischenstation für weitere astronautische Flüge, etwa zum Mars. Der Mond ist ein ideales Testgelände für neue Technologien in der Raumfahrt und könnte eines Tages auch als Tankstelle dienen: Missionen zum Mars oder zu anderen weiter entfernten Zielen müssten nicht alle nötigen Ressourcen direkt von der Erde mitbringen, sondern könnten beim Mond Treibstoff und andere Güter laden. Dank der geringeren Anziehungskraft des Erdtrabanten wäre ein Marsflug mit Zwischenstopp deutlich günstiger.

Womit wir beim Thema Ressourcen wären. Unser staubtrockener, von Kratern übersäter Begleiter wirkt auf den ersten Blick nicht gerade nach einem attraktiven Ziel für außerirdischen Bergbau. Einige Schätze hat der Mond aber zu bieten. Im Mondboden schlummern Rohstoffe wie Titan oder seltene Erden, wenngleich unklar ist, wie groß die Vorkommen wirklich sind. Interessant ist auch Helium-3: Dieses Helium-Isotop, das auf der Erde sehr selten ist, gelangt mit dem Sonnenwind zum Mond und hat sich dort im Staub abgelagert.

Bergbau am Mond, Nasa, Esa
Niemand darf sich Gebiete auf dem Mond aneignen, heißt es im Weltraumvertrag von 1967. Beim Ressourcenabbau gibt es aber Unklarheiten. Illustration
ESA–ATG medialab

Wasser als Gamechanger

Heute wird Helium-3 vor allem in der Kryotechnik eingesetzt und ist in der Tieftemperaturphysik, aber auch für einige medizinische Anwendungen wichtig. Theoretisch könnte Helium-3 eines Tages auch als sauberer Brennstoff für Fusionsreaktoren dienen. Die Fusionsforschung ist noch lange nicht so weit, und die Förderung dieser volatilen Ressource auf dem Mond wäre eine gigantische technische Herausforderung. Der potenzielle Nutzen könnte aber riesig sein – und lukrativ.

Die wichtigste Ressource auf dem Mond ist aus irdischer Sicht weitaus weniger exotisch: Wasser. Es kommt gebunden im Mondboden vor, in Kratern der Polarregionen, die stets im Schatten liegen, befindet sich auch Wassereis. Die Erschließung dieser Reservoirs hätte enorme Vorteile. Das Wasser ließe sich in Sauerstoff zum Atmen und in Wasserstoff für Raketentreibstoff aufspalten. Diese Ressourcen müssten nicht teuer und aufwendig von der Erde ins All exportiert werden.

Vor allem der lunare Südpol steht im Fokus zahlreicher Mondmissionen. Dort gibt es einige der eisreichsten Krater im Dauerschatten, aber auch wichtige Bedingungen für einen möglichen Abbau: Manche Kraterränder liegen immer in der Sonne, dort könnte also dauerhaft Strom erzeugt werden. Geht es beim aktuellen Run auf den Mond also auch darum, günstige Standorte für sich zu reklamieren, ehe es andere tun? Wem gehören die Ressourcen im All eigentlich – und wer darf sie wofür nutzen? Darüber herrscht derzeit Uneinigkeit, Spannungen scheinen vorprogrammiert. "Ich glaube, das Potenzial für Konflikte auf dem Mond wird davon abhängen, wie viel man dort wirklich gewinnen kann", sagt Hermann Ludwig Moeller, Direktor des European Space Policy Institute (ESPI) in Wien. "An dem Tag, wo jemand mit einer großen Nachricht vom Mond kommt, dass da etwas Wesentliches gefunden wurde oder plötzlich ein Industriekonzern massiv investiert, weil es Gewinne gibt, wird sich das noch viel mehr beschleunigen."

Buzz Aldrin, Apollo 11
Buzz Aldrin, der zweite Mensch auf dem Mond, vor einer US-Flagge nach der Landung 1969. Die Flagge hatte einen reinen Symbolwert.
AP/Neil Armstrong

Rechtliches Vakuum

Ein Problem ist, dass das wichtigste Regelwerk für den Umgang mit anderen Himmelskörpern ziemlich in die Jahre gekommen ist. Der Weltraumvertrag von 1967, den 114 Länder ratifiziert haben, darunter alle wichtigen Weltraumnationen, verbietet zwar jegliche territoriale Aneignung im All. Niemand kann ein Mondgrundstück besitzen oder Ansprüche auf einen eisreichen Krater erheben. Ressourcen für wissenschaftliche Zwecke zu nutzen oder für den Bedarf einer astronautischen Mission zu fördern ist dagegen erlaubt. Wenn es aber um den Aufbau einer dauerhaften Infrastruktur für den Abbau von Rohstoffen geht, wird es komplizierter. Kommerzielle Akteure wurden im Weltraumvertrag nicht berücksichtigt, und auch für Staaten bleibt ein Interpretationsspielraum offen. Manche Fachleute betonen seit Jahren, dass es klarere Regeln braucht.

Die USA sind im Zuge ihrer neuen Mondpläne mit eigenen Richtlinien für die Erkundung des Mondes vorgeprescht, den sogenannten Artemis Accords. 35 Länder haben die bilateralen Abkommen bisher unterzeichnet, darunter auch die wichtigsten EU-Weltraumnationen Italien, Frankreich und Deutschland. Österreich ist bisher nicht darunter.

Inhaltlich geht es einerseits um unstrittige Themen wie friedliche Forschungskooperation, gemeinsame technische Standards oder die Vermeidung von Weltraumschrott. Andere Punkte sorgen für Diskussionen: Die Artemis-Accords beinhalten eine gemeinsame Linie zur Ausbeutung von Himmelskörpern und halten fest, dass zum Schutz von Einrichtungen auf dem Mond Sicherheitszonen eingerichtet werden können. Kritiker sehen darin Aneignung – und eine Verletzung des Weltraumvertrags.

Verbindliche Regeln für die Nutzung des Mondes wurden eigentlich längst formuliert. Der sogenannte Mondvertrag von 1979 erklärt Rohstoffe auf dem Mond zum Eigentum aller. Der Abbau von Ressourcen ist erlaubt, muss aber allen zugutekommen, sprich, Gewinne müssen mit der internationalen Gemeinschaft geteilt werden. Das sorgte für wenig Enthusiasmus: Weder die USA noch Russland, China oder große europäische Weltraumnationen sind Vertragsparteien. Nur 18 Länder, darunter Österreich, haben den Mondvertrag ratifiziert. Keines davon ist je auf dem Mond gelandet. (David Rennert, 21.4.2024)

Dieser Text ist im aktuellen STANDARD-Wissenschaftsmagazin FORSCHUNG erschienen. Das Magazin ist im STANDARD-Onlineshop um € 5,90 erhältlich.