Stell dir vor, es gibt einen israelischen Angriff im Iran, aber weder Israel noch die Regierung in Teheran verlieren darüber ein Wort: Die Explosionen, die in den frühen Freitagmorgenstunden über einer Armeebasis im iranischen Isfahan zu hören waren, sind laut den unmittelbar Beteiligten alles – nur kein Stoff für weitere Konflikte. "Drei Drohnen wurden am Himmel über Isfahan entdeckt, die Luftabwehr wurde aktiviert, und sie hat die Drohnen vernichtet", berichtete das Staatsfernsehen lapidar. Und weiter nichts: keine Schäden, keine Aufregung, schon gar keine Vergeltung gegen Israel – denn schließlich, so erklärten iranische Vertreter, sei ja noch gar nicht geklärt, ob das Ausland hinter dem Angriff stecke, geschweige denn Israel.

Im Iran wirbt der Staat mit und für Raketen. Am Freitag wurde man allerdings selbst zum Ziel.
EPA/ABEDIN TAHERKENAREH

Zum Zeitpunkt dieser Äußerung hatten zwar mehrere hochrangige israelische Vertreter unabhängig voneinander längst via "New York Times" und "Washington Post" zugegeben, dass Israel hinter dem Angriff stehe. In Teheran tat man trotzdem weiter so, als wüsste man von nichts und niemandem.

"Kein Grund zur Sorge"

Auch in Israel herrscht Schweigen auf allen offiziellen Kanälen. Weder die Armee noch die Regierung gaben zu den Angriffen im Iran, die von Luftschlägen im Irak und in Syrien begleitet waren, Kommentare ab. Die einzige Stellungnahme, die indirekt mit der Causa prima des Tages zu tun hatte, sprach wiederum Bände: Nein, es gebe keine Änderung bei den Vorkehrungen des Zivilschutzes, erklärte die Armee. Die Botschaft zwischen den Zeilen lautet: Kein Grund zur Sorge, niemand rechnet jetzt mit einem Gegenschlag aus dem Iran.

Nach dem historischen iranischen Angriff auf Israel in der Nacht zum vergangenen Sonntag war es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis Israel zum Gegenschlag ausholen würde. Soll das also schon die israelische Antwort gewesen sein – drei Quadrokopter über einer Luftwaffenbasis in Isfahan?

Dass sich Israel mit dem vergleichsweise leichten Angriff vom Freitag begnügt, ist eher unwahrscheinlich. Der Iran hat Israel vor knapp einer Woche mit mehr als 300 Raketen, Marschflugkörpern und Drohnen angegriffen. Hätte Israel nicht die breite Unterstützung mehrerer Verbündeter bei der Abwehr dieser Angriffe erhalten, wäre der Schaden verheerend gewesen. Der Iran muss sich also auf weitere Gegenschläge einstellen. Israel hat es aber nicht eilig. Die maßvolle Reaktion war wohl auch ein Signal an den Westen: Seht her, wir zeigen Zurückhaltung, um den Schaden einer drohenden Eskalation auch von euch abzuhalten.

Rückhalt nicht verspielen

Im Gegenzug hofft Israel, dass der Westen eine deutliche Verschärfung der Sanktionen gegen den Iran beschließt – in einem Ausmaß, das noch weit über die Ankündigungen hinausgeht. Davon würde Israel mittelfristig viel stärker profitieren als von einem mächtigen Schlag gegen iranische Infrastruktur. Israel hat dabei aber noch ein anderes Ziel: Nach mehr als einem halben Jahr Krieg im Gazastreifen und der zunehmenden Kritik am israelischen Vorgehen hat der iranische Angriff die Stimmung wieder leicht zugunsten Israels gedreht. Diesen momentanen Rückhalt will man sich nicht verderben – auch im Hinblick auf die geplante Invasion in Rafah im Süden Gazas.

Ein Satellitenbild der iranischen Luftwaffenbasis in Isfahan, die Freitag von Israel angegriffen worden sein soll.
AP/Planet Labs PBC

Jetzt erst einmal gar nicht zu reagieren, war indes auch keine Option. In Israels Regierung und Sicherheitsapparat herrschte Einigkeit darüber, dass man auf die präzedenzlose Attacke reagieren müsse. Die Frage war nur, wann und wie. Wenig überraschend reagierten die rechten Hardliner in Israels Regierung. Der rechtsextreme Dauerzündler und Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir fand auf X nur ein Wort für den Schlag in Isfahan: "Lahmarschig!"

Israels rechtsextremer Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir ist von der Antwort seiner Regierung auf den Iran nicht begeistert.

Ort und Zeitpunkt des Angriffs im Iran waren jedenfalls von hoher Symbolkraft. Die Provinz Isfahan steht aus israelischer Sicht beispielhaft für das iranische Atomprogramm, das wichtigste Urananreicherungszentrum des Iran befindet sich dort. In der Stadt Isfahan selbst sind ein nukleares Forschungszentrum und eine Anlage für Uranentwicklung angesiedelt. Sehr bald nach dem Angriff war klar, dass an der nuklearen Infrastruktur kein Schaden entstanden ist, das war ganz offenkundig auch nicht beabsichtigt. Vielmehr ging es um ein Warnsignal: Israel ist zu allem fähig – und notfalls auch zu allem bereit.

Geburtstagsgruß an Khamenei

Isfahan ist aber auch im Kontext der schweren iranischen Angriffe vom vergangenen Sonntag wichtig: Zentrale Produktionsstätten für ballistische Raketen und Drohnen sind laut israelischen Geheimdienstinformationen dort angesiedelt. Auch das Datum des Angriffs war geschickt gewählt: Der Freitag war der Geburtstag des obersten iranischen Führers, Ayatollah Ali Khamenei.

In Israel geht man davon aus, dass der Iran auch weiterhin kein Interesse an einer zusätzlichen Eskalation der Lage hat – schon gar nicht nach der starken Abwehr der Angriffe vom vergangenen Sonntag. In Teheran sei die Botschaft angekommen, heißt es in Israel: Im Fall eines Krieges hätte man es mit einer starken Allianz von Bündnispartnern aus dem Westen und auch aus dem arabischen Raum zu tun.

Irans geistlicher Führer Ayatollah Khomeini feierte am Freitag Geburtstag. Israel schickte Drohnen.
AP/Vahid Salemi

Auch aus israelischer Sicht gilt es, eine längere Auseinandersetzung mit dem Iran tunlichst zu vermeiden. Die Prioritäten liegen derzeit anderswo. "Unser Hauptanliegen ist es jetzt, die Geiseln aus Gaza zurückzubekommen und die Hamas zu schlagen", sagt der frühere Militärgeheimdienstchef Amos Jadlin. "Ein Krieg zwischen Israel und Iran – das ist der feuchte Traum von Sinwar", sagt Jadlin. Gemeint ist der in Gaza befindliche Hamas-Führer Yahya Sinwar. Und nichts liege Israel ferner, als ihm diesen Traum zu erfüllen.

Luftraum vorübergehend gesperrt

Unabhängig davon, ob eine weitere Eskalation nun zu erwarten ist oder nicht: Die unmittelbaren Reaktionen auf den Schlag am Freitag zeigen, wie angespannt die Lage in diesen Tagen ist. Der Iran erklärte, offenbar in Erwartung weiterer Angriffe, Teile des Luftraums vorübergehend für gesperrt. Flüge nach Teheran mussten an den Abflugort zurückkehren oder in die Türkei umgelenkt werden. Die US-Botschaft in Israel wies ihr Personal an, aus Sicherheitsgründen bis auf Weiteres alle Reisen außerhalb von Jerusalem, dem Großraum Tel Aviv und Beersheba zu unterlassen.

Auch die Märkte reagierten nervös: Freitagmorgen sprang der Ölpreis an, die Ratingagentur S&P stufte Israels Kredit-Rating von AA– auf A+ herab. Begründung: Angesichts der aktuellen Geschehnisse sei damit zu rechnen, dass Israel in Zukunft deutlich mehr Geld für Rüstung ausgeben werde. (Maria Sterkl aus Jerusalem, 19.4.2024)